Wahlen zum Vorstand der OpenStreetMap Foundation 2017 – Teil 2

Redaktioneller Hinweis

Dieser Beitrag enthält die persönliche Meinung von Michael Reichert. Weder wird inhaltliche Neutralität angestrebt noch gibt dieser Beitrag die Meinung der Redaktion wieder. Bitte lest selber die Wahlprogramme (engl. manifesto), die Frage- und Antwort-Seite im OSM-Wiki und die Diskussionen auf der Mailingliste OSMF-Talk durch, um euch eine eigene Meinung zu bilden.

TL;DR Die Wahlempfehlung befindet sich am Ende dieses Beitrags.

Teil 1 vs. Teil 2

In Teil 1 dieses Doppelblogbeitrags wurden das Wahlverfahren erklärt und die Wahlprogramme der Kandidaten, ihre Antworten auf die Wählerfragen sowie sonstige Informationsquellen zusammengefasst. Auch Kritiker, sofern vorhanden, kamen zu Wort.

In diesem zweiten Teil erfolgt die Interpretation der Äußerungen der Kandidaten. Es wird aufgezeigt, wer warum gewählt werden sollte. Am Ende des Blogbeitrags findet sich eine Wahlempfehlung.

Nachtrag zu Teil 1

In Teil 1 habe wurde bei Davids Meinung mit dem Satz „Darüber hinaus stellt er klar, dass OSM-Daten der örtlichen Community gehören.“ ungenau wiedergegeben. Siehe dazu den Kommentar von Christoph.

Begriffserklärung Craftmapper

Beim Schreiben dieses Beitrags wurde ich von Lektoren darauf hingewiesen, dass der Begriff Craftmapper ihnen noch nicht geläufig sei. Da dieser Begriff in der englischsprachigen OSM-Welt mittlerweile gebräuchlich zu sein scheint, möchte ich ihn kurz erklären.

Am 28. Juli 2016 berichtete Mike Migurski in seinem Blog über einen Vortrag von Facebook über automatisiertes Straßenmapping mit Satellitenbildern auf State of the Map US 2016 (der Import wurde wegen unterirdischer Qualität revertiert). Darin schrieb er, es gebe in OSM drei Strömungen – vollautomatisches Mapping, humanitäres Mapping und „Craftmapping“ (manuelles Mapping in der westlichen Welt). Die beiden erstgenannten seien die Zukunft, Craftmapping würde das OSM-Projekt in die Irrelevanz führen. Letzteres sei eine veraltet und ihre Vertreter würden die beiden anderen Strömungen behindern. Craftmapper würden OSM als ihr großes Hobby, vergleichbar mit dem Selberbrauen von Craftbeer und Modellbahnen, betrachten. Als Abhilfe gegen diverse Sachen bei OSM, die ihn stören, schlug er einen Code of Conduct, ein aktiveres Bewerben, Erklären und Verteidigen der ODbL und eine Führung des Projekts vor.

In dem Blogeintrag, der zahlreiche Kommentare hat, wurde der Begriff Craftmapper herabwertend verwendet. Craft ist englisch und heißt Handwerk. Craft wird auch als Attribut verwendet. Im Begriff Craftbeer (wörtlich handwerkliches Bier) soll es ausdrücken, dass kleine, unabhängige Brauereien anstatt großer Brauereikonzerene mit ihrem Einheitsgeschmack diese Biere brauen.

Der Begriff Craftmapper wurde auf der State of the Map 2016 in Brüssel jedoch von den Craftmappern selbst in Beschlag genommen, von denen einige T-Shirts mit dem Aufdruck „Craftmapper“ in einer Guerilla-Aktion an andere Teilnehmer verkauften. Fotos davon sind v.a. in den Fotos der State of the Map 2016 auf Flickr unter dem Schlagwort #sotm2016 und unter dem Hashtag #craftmapper auf Twitter zu finden.

Der Begriff wird seither für Mapper verwendet, die sich kaum oder gar nicht an Importen beteiligen und klassisch mit GPS, Satellitenbildern, Mapillary usw. mappen.

Was zählt?

Freiheit der Mitwirkenden

Ist zu erwarten, dass die allgemeine Rolle der OSMF im OpenStreetMap-Projekt bleibt, wie sie ist? Derzeit kümmert sich die OSMF ausschließlich um den rechtlichen Rahmen für das Projekt, den Betrieb der zentralen Dienste (API, Planetdumps, osm.org, Nominatim, Wiki, Mailinglisten, Forum), alles andere sind Projekte Dritter. Die OSMF schreibt nicht vor, wie und bis wann etwas zu mappen ist. Ihre Rolle ist mit einem Förderverein zu vergleichen. Es gibt jedoch Kandidaten, die dieses Verhältnis umkremplen möchten. Sei streben an, dass die OSMF eine führende bzw. herrschende Position einnimmt. Anstatt das OSM-Projekt zu begleiten, solle die OSMF Community-Manager haben, die die Community verwalten. Das widerspricht den Grundsätzen des Projekts und der Freiheit der Mitwirkenden. Der Begriff „Community-Manager“ impliziert in meinen Augen, dass es einen Rangunterschied zwischen Mappern und Managern geben soll.

Code of Conduct

Verschiedene Stimmen, nicht nur, aber zu einem nennenswerten Anteil aus den USA, fordern, dass OSM einen Code of Conduct (Verhaltenskodex) einführt. Ein Code of Conduct kodifiziert Verhaltensregeln in einem Community-Projekt. Das kann den Umfang einer Netiquette haben, kann aber auch weitergehen bis zu „Sei lieb und nett. Verletze nicht die Gefühle eines anderen [, auch wenn deine Kritik berechtigt ist]“. Meist wird ein Code of Conduct von einem festgelegten Verfahren zur Behandlung von Verstößen begleitet. Berichte von Mitgliedern von HOT US Inc. lassen diesen Vorstoß in einem schlechten Licht erscheinen (siehe Abschnitt zu Heather Leson in Teil 1). Zwar hat ein Code of Conduct den Vorteil, dass man ein Dokument hat, auf das man verweisen kann. OSM ist ein Projekt das traditionell sparsam im Erstellen von Richtlinien und Verboten ist. Vieles ist ungeschriebenes (ggf. im Wiki dokumentierte) gute fachliche Praxis.

OpenStreetMap-Kenntnisse

Ist der Kandidat aktiver Mapper? Ich denke, dass jeder Kandidat aktiver Mapper sein sollte. Mapping ist die Aktivität, die die gesamte OSM-Community verbindet. Mappen setzt keine besonderen Fähigkeiten voraus – auch Nichtprogrammierer können mappen und kleine Beiträge zu OSM kosten nicht viel Zeit. Der OSMF-Vorstand repräsentiert die Community und sollte sich daher aus deren Mitgliedern zusammensetzen. Wer mappt, lernt im Laufe der Zeit die Facetten des Projekts und die Fachbegriffe von allein kennen. Nur wer aktiver Mapper ist, kann sich eine eigene Meinung zu Fragen bilden, bei denen es um die Erfassung von Daten geht. Beispiele hierfür sind die Directed Editing Policy sowie die Veränderungen am OSM-Projekt, die durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung erforderlich sind. Wer keine nennenswerte Mappingerfahrung hat, hat auch keine ausreichende Erfahrung, um den Umgang der Mapper untereinander und deren Bedürfnisse zu bewerten. So ist es für die Arbeit innerhalb der Community sehr wohl erforderlich, dass eine Versionsgeschichte mit Metadaten gespeichert wird und zugänglich ist. Wer noch nie einen Änderungssatz-Kommentar erhalten hat oder selbst einem Datenfehler auf den Grund gegangen ist, kann das schwerer nachvollziehen. Es ist in meinen Augen zwar keinesfalls erforderlich, dass ein Vorstandsmitglied ein Powermapper ist; eine Einstellung wie „Mapping ist nichts für mich, ich bin mir dafür zu schade“, ist in meinen Augen jedoch disqualifizierend. Durchschnittlich eine Bearbeitung pro Monat ist daher das Mindeste, was ich persönlich erwarte. Man beachte, dass das eine relativ niedrige Schwelle ist!

Wie lange ist der Kandidat schon bei OSM? Jemand der nicht mehr neu ist, hat genug Zeit gehabt, die Community, ihre Prozesse und ihre nicht existente Hierarchie kennenzulernen. Das heißt nicht, dass jemand, der seit zehn Jahren bei OSM aktiv ist, automatisch ein besserer Vorstand ist. Es kommt bei der Vorstandstätigkeit auf viele andere Fähigkeiten an.

Bisheriges Engagement

Ist der Kandidat schon in einer Working Group (Arbeitsgruppe) der OSMF oder in einem Local Chapter (deutsch: Regionalvertretung; inkl. de-facto Local Chapters wie der FOSSGIS e.V.) aktiv? Wer in der OSMF oder einem Local Chapter aktiv ist, hat bewiesen, dass er damit vertraut ist, als Freiwilliger tätig zu sein. Erfahrung in der OSMF ist ein Sahnehäubchen, weil es dem Kandidaten dem Einstieg in seine Tätigkeit erleichtert und sicherstellt, dass er keinen falschen Vorstellungen aufsitzt. Da die OSMF jedoch nicht so riesig ist, ist es in meinen Augen kein Malus, wenn man noch nicht in der OSMF aktiv ist.

Wie ist die allgemeine Arbeitseinstellung des Kandidaten? Diese Frage ist eng mit der vorhergehenden verwandt. Wer schon als Freiwilliger aktiv ist, egal ob in der OSMF, einem Local Chapter oder einer anderen Organisation, in der bezahlte Kräfte eine Randerscheinung und Ehrenamtliche dominierend sind, beweist, dass er nicht jemand ist, der sich für solche Tätigkeiten zu schade ist.

Einigkeit im Vorstand

Wie haben die Kandidaten die Fragen der Wähler beantwortet? Man wählt sinnvollerweise Leute, die derselben Meinung sind, damit es vorangeht und der Vorstand nicht in seiner Uneinigkeit erstickt.

Interessenkonflikte

Ist der Kandidat bei einer Firma beschäftigt, die ein Interesse an OSM hat? Wir sollten vermeiden, dass ein OSMF-Vorstand entsteht, in dem ein Unternehmen oder eine Organisation die Mehrheit hat.

Wahlversprechen sind Wahlversprechen

Als Wähler sollte man einerseits nicht allen Wahlversprechen blind glauben, denn hoch fliegende Träumer sind in der Vergangenheit im OSMF-Vorstand häufig auf dem Boden der Tatsachen gelandet oder brauchten einen langen Atem. So hat es z.B. mindestens knapp vier Jahre (Vorstandswahl 2012 bis Juni 2016) gedauert, bis aus einem Ziel in einem Wahlprogramm eines immer noch amtierenden Vorstandsmitglieds Realität wurde – transparente Arbeit im Vorstand. Das ist nur ein Beispiel. Man sollte die Worte in den Wahlprogrammen nicht allzu wörtlich nehmen. Ein Vorschlag muss ihre Mehrheit im Vorstand finden.

Andererseits geben die Aussagen des Wahlprogramms in Verbindung mit den zum Teil unabsichtlich getätigten Aussagen in den Antworten auf die Wählerfragen einen Einblick in die Pläne des Kandidaten.

Der Vorstand ist nicht …

Frederik Ramm, das seit fünf Jahren im OSMF-Vorstand sitzt, hat im September diesen Jahres in seinem Blog zusammengefasst, was einen als Vorstand erwartet und wie die Realität im Vorstand nicht aussieht. Die Zusammenfassung lautet:

  • Wer OSM verändern wolle, ist im Vorstand falsch. Man habe mit anderen Tätigkeiten genug zu tun.
  • Der Vorstand der OSMF ist nicht die OSMF, gegen die Arbeitsgruppen wird sich ein Vorstand nicht durchsetzen können.
  • Der Vorstand der OSMF ist kein Club, in dem Strategien auserkoren werden. Stattdessen ist es ein Ort, an dem Freiwillige Dinge tun.
  • Der Vorstand der OSMF ist kein Parlament, wo man eine Interessensgruppe repräsentiert. Der britische Gesetzgeber schreibt vor, dass ein Vorstand im Interesse der Organisation und nicht im Interesse derer, die er vertritt, handeln muss .
  • Die Arbeitssprache ist Englisch.

Paul Norman

Für Paul spricht, dass er keine hochtrabenden Pläne hat, die OSM entweder umkrempeln oder Geld kosten. Da Paul schon seit drei Jahren im Vorstand sitzt, lässt sich abschätzen, was er zu tun gedenkt.

Es ist zwar schön, wenn jemand neben seiner Vorstandsarbeit noch sehr aktiv ist und zahlreichen Arbeitsgruppen angehört. Es ist aber auch ein Hinweis, dass solch eine Person unter Umständen nicht die Zeit hat, die für die Arbeit im Board wünschenswert ist.

Mir fällt negativ auf, dass Paul wie schon im Jahr 2014 nur einen Teil der Fragen der Mitglieder beantwortet hat. Er scheint daher auf den Amtsinhaberbonus zu setzen. Es kann aber auch als Zeichen gedeutet werden, dass er die Fragen für weniger wichtig erachtet, weil die Leute ihn schon aufgrund anderer Diskussionen einschätzen können und er dafür keine Zeit verschwenden möchte.

Wer die bisherige Arbeit des OSMF-Vorstands oder die von Paul in Ordnung findet, sollte Paul wählen.

Ich persönlich werde Paul wählen, auch wenn mir sein Zeitmangel Bauchschmerzen bereitet. In derart turbulenten Zeiten, in denen Personen geringer Qualifikation in den Vorstand hineindrücken (anderer HOT-Mitglieder im OSMF-Vorstand haben die nötige OSM-Erfahrung), ist es wichtig, dass auch diejenigen im Vorstand vertreten sind, die OSM bewahren wollen. Selbst wenn Paul seine Ideen nur mit wenige Elan vertritt, ist seine Stimme möglicherweise ausschlaggebend!

Das für Paul in meinen Augen zutreffende Prädikat ist „alter Hase“.

Joost Schouppe

Joost mappt viel in seiner Heimat und hat eine angemessene Distanz zu HOT US Inc., auch wenn er als Mapper und Mapathon-Organisator in der HOT-Community aktiv ist. Joost ist aus diesen Gründen in meinen Augen ein Kompromisskandidat, der sowohl für Craftmapper als auch für Leute aus dem HOT-Umfeld wählbar ist.

Zwar spricht gegen Joost, dass er bislang nur zeitweise in der OSMF aktiv war. Er glänzt jedoch mit Aktivität im belgischen OSM-Verein (unter dem Dach von Open Knowledge Belgium), was ein Pluspunkt ist.

Joost kennt OSM und die Community, er ist ein wahrhaftiger Teil von ihr.

Gegen Joost spricht, dass er sich für bezahlte Community-Manager ausgesprochen hat. Sein Eintreten hierfür ist aber nicht so vehement wie bei Heather.

In einer am 5. Dezember (nach Redaktionsschluss für Teil 1) veröffentlichten Antwort auf die Frage nach seiner Meinung zu einem Code of Conduct spricht er sich weder für noch gegen einen solchen aus, warnt aber, dass die Einführung eines Code of Conduct die Community nicht weiter spalten dürfe. Dies unterstreicht das auf ihn in meinen Augen zutreffende Prädikat „Kompromisskandidat“.

Die Verwurzelung an der Basis ist bei Joost deutlich stärker ausgeprägt. Er erweckt einen vertrauenswürdigen Eindruck. Wer in seinem Blog weiter nach unten scrollt, findet ältere Beiträge, die lesenswert sind. Er macht sich Gedanken, wie man die Verbindungen zwischen dem OpenStreetMap-Projekt und Forschern verbessern könnte. Ebenfalls lesenswert ist die zur Ernüchterung führende Erkenntnis, dass man mit HOT-Mapathons wenig neue Mapper gewinnt, aber die Bindungen und die Motivation in der bestehende Community verbessert.

David Dean

David ist in dieser Wahl der Außenseiter, denn er ist international unbekannt.

Für Craftmapper ist er empfehlenswert. Er ist ein Craftmapper und spricht sich dafür aus, dass die örtliche Community die Hoheit über ihre Daten haben soll. Von ihm sind keine größeren disruptiven Umwälzungen zu erwarten. Er spricht sich für Transparenz, gegen eine Lizenzänderung und für die bestehende Do-ocracy-Kultur (wer etwas macht, entscheidet es) aus. OSM kennt er gut.

Sorgen bereitet mir seine fehlende Erfahrung in der OSMF und vergleichbaren Organisationen. Nur seine fachliche Nähe zu Machine Learning kann erwarten lassen, dass er zum Vorteil von Machine Learning handeln wird.

Die Nichtteilnahme an Vorstandssitzungen sollte man ihm nicht negativ anrechnen. Er wohnt 10 Stunden von UTC entfernt. Wenn, wie in letzter Zeit üblich, die Vorstände um 21:00 Uhr UTC tagen, ist es bei ihm sieben Uhr morgens.

Ich rechne nicht damit, dass OSM den Ureinwohnern viel näher gebracht wird. Wer im Vorstand sitzt, ist gut genug beschäftig und kann dann meist keine so großen Dinge mehr reißen. Für mich wirkt dieses Ziel gekünstelt, vielleicht unterstelle ich ihm das auch einfach nur.

Ich verleihe David das Prädikat „weißes Blatt“.

Heather Leson

Wer Heathers Antworten auf die Fragen im OSM-Wiki und auf die Fragen in den Kommentaren zu ihrem Wahlprogramm liest, wird erkennen, wie wenig Ahnung sie von OpenStreetMap hat. In den Kommentaren fragt z.B. philippec, was sie gegen die alltäglichen Probleme eines Mapper zu tun gedenkt und erwähnt u.a. „Notes-Dschungel“. Sie versteht darin als E-Mails abgelegte Notes. Ein anderes Beispiel ist die zweiteilige Frage nach der Teilnahme an Konferenzen. Der erste Teil fragt nach der Teilnahme an der SotM, der zweite nach anderen OSM-Konferenzen. Während die anderen Kandidaten sich des Unterschieds bewusst waren, hat Heather alle in einen Topf geworfen.

Ihre Unkenntnis führt zu Antworten bei der Frage nach der Richtlinie für organisiertes Editieren, die nicht die Frage beantworten. Sie verweist auf die Mitwirkung kommerzieller Akteure bei Open-Source-Projekten. Dabei vergisst sie aber, dass OpenStreetMap erstens eine viel größere aktive Community hat und zweitens OpenStreetMap kein Softwareprojekt ist, sondern eine Gemeinschaft an Freiwilligen, die gemeinsam Daten für eine Karte erfassen. Ebenfalls außer Acht lässt sie, dass sie durch ihre Tätigkeit bei der Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (und deren Mitwirkung bei Missing Maps) einen Interessenkonflikt hat und sich daher enthalten muss!

Das sind ein paar Beispiele, anhand derer sie unabsichtlich zu erkennen gibt, dass sie mit relativ bekannten OSM-Fachbegriffen nichts anzufangen weiß.

Auch in Sachen OSMF-Organisation glänzt sie nicht mit Vorkenntnissen. Bezüge zum inneren Aufbau fehlen in ihrem Programm. Ihre Verwendung des Begriffs „leader“ (Führer) lässt vermuten, dass ihr die Dezentralität des OSM-Projekts und die Freiheit seiner Mitwirkenden nicht bewusst ist oder sie diese abschaffen will. Das ist der Kern von OpenStreetMap!

Heathers berufliche Laufbahn in einigen Nichtregierungsorganisationen ist in meinen Augen mehr ein Malus als ein Bonus. Diese Organisationen haben, anders als die OSMF, einen bezahlten Stab an Mitarbeitern. Ihnen wird nachgesagt, durchregiert und intransparent zu sein. Manchen, gerade im humanitären Sektor, hängt der Ruf der finanziellen Ineffizienz nach. Die OSMF hat eine völlig andere Kultur. Es ist die Kultur der Do-ocracy. Einen Vorstand, der nur denkt, redet und diskutiert, brauchen wir nicht. Für Diskussionen, Pläne und Strategien haben wir schon genug Aktive auf den Mailinglisten und in den diversen Teilen des Forums.

Heather setzt sich für die Einführung eines Code of Conduct ein und verweist stolz auf HOT US Inc. Ihre Kritiker werfen ihr und anderen ehemaligen und aktuellen Vorständen von HOT US Inc. vor, den Code of Conduct mehrfach zur Unterdrückung von kritischen Stimmen und einer Minderheit verwendet zu haben. Diese Minderheit, die sich v.a. um französissprachige Communitymitglieder und einen der Mitgründer gesammelt hat, möchte, dass HOT US Inc. gegenüber den Mitgliedern transparenter ist und nicht so sehr die klassischen hierarchischen und intransparenten NGOs nachahmt. Aufgrund dieser Vorwürfe möchte ich Heather nicht im OSMF-Vorstand sehen!

Sie möchte die Community durch das Einstellen von Community-Managern fördern. Dieser Ansatz stammt von zentralistischeren Open-Source-Projekten und Firmen, die sich die Community zu ihrem Vorteil zu nutze machen (Google Maps Maker, Foursquare, …). Bei OSM gibt es keine Hierarchien. Alle sind gleich. Das Einsetzen von Managern impliziert, dass es Obermapper gibt, die Anweisungen geben, und Untermapper, die spuren. Es ist das Tolle am OpenStreetMap-Projekt, dass ein Mapper frei entscheiden darf, ob er lieber Hundekottütenspender und Stolpersteine mappt, für die man keine Geldgeber findet, oder ob er lieber Hütten in Afrika mappt, für die man einen Fördertopf anzapfen kann. Selbst wenn Community-Manager eine gute Idee wären, hätte die OSMF momentan nicht die Mittel dazu, Leute einzustellen. Weitere Fremdmittel, die dafür erforderlich wären, werden wahrscheinlich nicht aus Kleinspenden und Mitgliedsbeiträgen von Privatpersonen stammen, denn Kleinspendern lässt sich ein solcher Kulturwandel in meinen Augen schwer vermitteln (abgesehen davon, dass ein Frage, die derart die Community spalten wird, schlechte PR für den Spendenaufruf bringt). Würde man bei Großspendern Geld einwerben, würde unser Grassroot-Projekt noch weiter von (meist amerikanischen) kommerziellen Interessen abhängig werden!

Ich bekomme bei Heather den Eindruck, dass sie sich gerne und leicht benachteiligt oder angegriffen fühlt. Deshalb hatte sie sich vor einigen Tagen in der WeeklyOSM beschwert, dass nur Paul und David in der französischen Ausgabe als Kandidaten erwähnt wurden, sie hingegen nicht. Die Beschwerde-E-Mail ging im CC an den OSMF-Vorstand. Die englische Fassung hat das Problem auch. Es ist in meinen Augen einer unglücklichen Formulierung geschuldet. In Ausgabe 384 wurden erwähnt, dass es weitere Kandidaten gebe. Die vorhergehende Ausgabe 383 wurden die Namen unabsichtlich nicht genannt und nur geschrieben, dass sich die „ersten Kandidaten“ zur Wahl aufgestellt hätten.

Aufgrund der Schilderungen von Nicolas und Severin, die in weiten Teilen nicht dementiert wurde, kann man zum Schluss kommen, dass ihre Fundraisingfähigkeiten keine Fähigkeiten sind. Man kann aus dem geschilderten Fall, dass sie ihre Misserfolge ihren Mitvorständen geheim hielt, schlussfolgern, dass sie möglicherweise schlecht mit Kritik an ihrer Arbeit umgehen kann.

Heather verkörpert, wenn man Severins Schilderungen Glauben schenken mag, Intransparenz. In ihren Antworten im OSM-Wiki hat sie, anders als die drei anderen Kandidaten, nicht zur Transparenzfrage Stellung bezogen! Das sollte Grund zur Sorge sein. Der Vorstand der Amtsperiode 2016 hat sich erheblich geöffnet, seine Sitzungen sind jetzt mit wenigen Ausnahmen (z.B. Vertragsverlängerung von Dorothea) öffentlich. Das muss so bleiben, andernfalls ist es ein Rückschritt und ein Zeichen von Distanz!

Was die exakten Motive für ihre Kandidatur sind, lässt Raum zur Spekulation. Kandidiert Heather, weil, so vermutet Severin in seiner unfreundlichen E-Mail, sie einen schönen Eintrag im Lebenslauf haben möchte? Kandidiert sie, damit der amerikanisch-humanitäre Zweig Veränderungen durchdrücken und das OpenStreetMap-Projekt nach seinen Vorstellungen umbauen kann? Oder kandidiert sie, weil sie darin die Möglichkeit sieht, die Richtlinie für organisiertes Editieren in der Schublade verschwinden zu lassen oder abzuschwächen? Wenn es ihr so wichtig ist, warum hat sie dann bislang nur bei einer Vorstandssitzung zugehört, nämlich der letzten vor der Wahl, als sie schon ihre Kandidatur bekanntgegeben hatte?

Heather hat in meinen Augen das Prädikat „nach Einfluss strebend“.

Wahlempfehlung

Wer OSM so bewahren möchte, wie es ist und sich nicht von der OSMF sagen lassen möchte, Hütten in Afrika statt Hundekottütenspender zu mappen, sollte auf keinen Fall Heather seine Stimme geben. Heather wird sich dafür einsetzen, dass ein Code of Conduct eingeführt wird – mit all seinen Konsequenzen.

Paul wird zwar nicht das Engagement zeigen, hat in meinen Augen ordentlich Erfahrung und vertritt meine Werte.

Joost ist in meinen Augen ein aussichtsreicher Kandidat, der für alle wählbar ist. Ich habe zwar eine andere Meinung zur Code-of-Conduct- und Community-Manager-Frage, hoffe aber, dass bei ihm die Vernunft siegt.

David kenne ich nicht gut genug, um seine Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Außenseiter haben, wenn sie ins Board gewählt werden, oft nur einen geringen Einfluss. Gebt ihm daher ruhig eure Drittstimme.

Ich empfehle daher folgende Rangfolge bei der Stimmabgabe:

  1. Paul Norman
  2. Joost Schouppe
  3. David Dean oder leer lassen
  4. (leer lassen)

Danksagung

Abschließend möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die diese Beiträge nach Tippfehlern durchsucht haben und mich auf ein paar inhaltliche Fehler hingewiesen haben. Mein Dank geht ebenfalls an den Autor der STV-Erklärung in diesem Beitrag und die Korrekturleser der Craftmapper-Erklärung.

Michael Reichert

Michael ist seit 2011 aktiver Mapper, hat die Mappingschwerpunkte Eisenbahninfrastruktur und ÖPNV und verdient sein Geld mit OpenStreetMap-Dienstleistungen.

Kategorie: OSMBlog

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