Die Code-of-Conduct-Diskussion

Lego-Männchen im Amphitheater

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Im Vorfeld der Vorstandswahlen Ende November/Anfang Dezember jeden Jahres geht es auf der Mailingliste OSMF-Talk gewöhnlicherweise hoch her und sie erreicht ihr Jahresmaximum an Beiträgen. Eine hohe Frequenz ist nicht ungewöhnlich. Mit 269 Nachrichten im November und ca. 190 in den ersten vier Tagen des Dezembers haben die Diskussionen einen Umfang erreicht, der schwer in zwei oder drei Meldungen in der Wochennotiz zusammengefasst werden können.

Eines der diskutierten Themen war die mögliche Einführung eines Code of Conduct. Den Wortwechsel darüber möchten wir hiermit ausführlicher zusammenfassen, als es uns in einer wöchentlichen Berichterstattung möglich ist.

Clifford Snow schlägt am 1. Dezember vor, die OSMF solle für das OpenStreetMap-Projekt einen Code of Conduct einführen. Die Reaktionen fallen vielfältig aus. John Gilmore kritisiert, dass viele in Gebrauch befindliche Code of Conducts der Unschuldsvermutung widersprechen und zirkuläre Definitionen haben. Rory McCann ist zwar für einen strengen Code of Conduct, ist aber bzgl. der Vorschrift, stets freundlich und respektvoll zu sein, kritisch eingestellt.

Tobias Knerr kommentiert, dass seinen Beobachtungen zufolge OSM ein recht freundlicher Ort sei und er die Abwesenheit eines großen schriftlichen Regelwerks schätze. Die Einführung eines Code of Conducts gebe denen, die ihn durchsetzen, Macht und somit die Gefahr, dass diese missbraucht werde.

Blake Girardot meint, er habe zwar in den vergangenen sieben Jahren wenig Fälle gesehen, die potentielle Code-of-Conduct-Verstöße gewesen seien. Es sei dennoch wichtig, einen Code of Conduct zu haben, um potentiellen neuen Community-Mitgliedern zu signalisieren, dass sie sich in OSM sicher fühlen können. Er organisiere in Zürich regelmäßig HOT-Mapathons und würde gerne seinen nicht wenigen weiblichen Teilnehmerinnen empfehlen, auch den örtlichen OSM-Stammtisch zu besuchen. Dieser habe jedoch keinen Code of Conduct und er könne sich somit nicht sicher sein, dass die Teilnehmerinnen dort sicher wären.

Das sei ein Beispiel für die große kulturelle Lücke zwischen Amerika und dem deutschsprachigen Raum, erwidert Tobias Knerr. Es sei für ihn absurd, dass ein Stammtisch einen Code of Conduct habe. Er halte es für nicht unwahrscheinlich, dass ein Code of Conduct Leute benachteilige, die außerhalb des anglophonen Kulturkreises aufgewachsen seien und deren Muttersprache nicht Englisch sei. Sie würden den Code of Conduct anders auslegen als diejenigen, die ihn durchsetzen würden.

Rafael Avila Coya spricht sich vehement gegen einen Code of Conduct aus. Dessen Durchsetzungskomitee sei eine neue Inquisition. Nur damit ein paar weitere Unternehmen besser mit der OSM-Community interagieren wollen, solle man nicht einen Code of Conduct einführen. Christoph Hormann stimmt den prinzipiell zu. Er gibt jedoch zu bedenken, man müsse eingestehen, dass es Leute gebe, die sich von einer kulturell äußert vielfältigen und in Teilen anarchischen Community verängstigt fühlen. Es sollen sich jedoch nicht alle an den kleinsten gemeinsamen Nenner anpassen, sondern diese Leuten können in ihrer regionalen Community, wo einen ihnen gewohntere Kultur herrsche, ihren Platz finden. Er halte es für eine unlösbare Aufgabe, einen Code of Conduct für kulturell vielfältige Mailinglisten aufzustellen, der allen gerecht werde.

Viele große Open-Source-Projekte hätten einen Code of Conduct, obwohl ihre Entwickler aus vielen verschiedenen Kulturen kämen, entgegnet Luigi Toscano. Rafael und Christoph halten dem entgegen, dass OSM kein Open-Source-Projekt sei und eine weitaus höhere Zahl an aktiven Mitwirkenden als die genannten Open-Source-Projektbeispiel habe. Luigi kontert, dass es auch außerhalb der Open-Source-Bewegung Code of Conducts gebe und auch in den Kommunikationskanälen des Internets gebe es schon seit frühen Zeiten Verhaltensregeln – nur eben unter einem anderen Namen.

Ivo Stankov und einige weitere Diskussionsteilnehmer bittet die Befürworter eines Code of Conduct Fälle in OSM zu nennen, die die Einführung eines Code of Conduct erforderlich machen. Ian Dees entgegnet, dass es nichts heiße, dass Ivo keinen solchen Fall beobachtet habe. Stattdessen würden Leute, die belästigt werden, einfach dem Projekt den Rücken kehren, anstatt sich zu beschweren.

Stefan Keller stört sich am Begriff Code of Conduct und würde gerne den Begriff Netiquette verwenden.

Ein Seitenzweig der Diskussion illustriert, wie ein amerikanisch-britischer Code of Conduct angewandt werden könnte. Emily Eros erklärt in einer E-Mail, dass sie sich unwohl fühle, sich an der Diskussion zu beteiligen. Die Mailingliste sei feindselig und spannungsgeladen. Stefan Keller fragt daraufhin nach, woher ihre Gefühle kommen. Joseph Reeves entgegnet Stefan, dass seine E-Mail seiner Meinung nach schon gegen einen Code of Conduct verstoßen würde und damit unzulässig wäre.

Martin Koppenhoefer meint, ein Code of Conduct bringe kulturellen Imperialismus mit sich, weil die Grenze zwischen Toleranz und Intoleranz in verschiedenen Kulturen verschieden sei.

Eugene Alvin Villar weist darauf hin, dass das Konzept eines Code of Conduct im OSM-Umfeld nicht neu sei. Bekannte OSM-Softwareprojekte wie OSM Carto und iD hätten einen. Simon Poole ist der Meinung, iD sei als Beispiel nicht geeignet. Es sei ein mit US-amerikanischen Mitteln finanziertes Projekt.

Paul Norman schildert in einer E-Mail seine Sicht auf den Code of Conduct aus der Perspektive eines Maintainers von OSM Carto. Die Initiative sei von den Entwicklern selbst ausgegangen und man habe einen für die eigenen Bedürfnisse passenden Code of Conduct verfasst. Schwerpunkte seien u.a. überlange und Off-Topic-Kommentare gewesen. Dem sei eine Diskussion unter den Maintainer vorausgegangen, da diese geschlossen hinter einem Code of Conduct stehen müssten, damit er auch durchgesetzt werde. Man brauche deshalb einen Code of Conduct, der an die Bedürfnisse und Eigenheiten des OpenStreetMap-Projektes angepasst sei. Es sei herauszufinden, wo Probleme existieren und wie man diese lösen könne. Ein Code of Conduct müsse von der Mapper-Community ausgehen und könne nicht von oben herab angeordnet werden. Andernfalls sei er zum Scheitern verdammt.

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Kategorie: Wochennotiz