Wikipedia-Projekt „Multilingual Maps“

Im Herbst letzen Jahres hat der Wikimedia e.V. eine Ausschreibung gestartet. Hier konnten sich Projekte um Geldmittel bewerben, die etwas für freies Wissen im allgemeinen und für die Wikipedia im besonderen machen wollen.

Unter den Bewerbern wurde auch das Projekt zu mehrsprachigen Karten ausgewählt. Initiiert wurde es von Tim Alder, der sich seit Jahren mit der Zusammenarbeit von OpenStreetMap und Wikipedia beschäftigt. Für die programmiertechnische Umsetzung hat er sich an mich, Jochen Topf, gewandt. Ich habe mich als Hauptautor von Tirex, das bei der Wikipedia eingesetzt wird, schon lange mit dem Thema Webkarten beschäftigt.

Ziel des Projektes ist es, die technischen Grundlagen zu schaffen, dass OpenStreeMap-Karten in allen Sprachen angezeigt werden können, in denen es die Wikipedia gibt. Derzeit gibt es Karten in etwa zehn Sprachen. Das ist aber nur ein kleiner Teil der circa 270 Sprachen, die derzeit von der Wikipedia abgedeckt werden. Die Wikipedia sieht sich in ihren Artikeln zu geographischen Objekten durchaus auch als Reiseführer und auch als Alternative zum Schulatlas (selbsterklärter Bildungsauftrag). Bei diesen beiden Anwendungen sind Übersetzungen der Karte in die jeweilige Sprache des Nutzers absolut üblich.

Zur Anzeige im Web werden Karten in Kacheln (Tiles) zerlegt, die jeweils 256×256 Punkte umfassen. Derzeit ist es so, dass die Kacheln für jede Sprache völlig getrennt betrachtet werden. Aber viele Kacheln sind natürlich in allen Sprachen gleich (weil gar kein Name darauf vorkommt). Und viele Kacheln gibt es nur in einigen wenigen Varianten, zum Beispiel wird man für die meisten Kacheln in Deutschland auf einer englischen Karte die gleichen Namen drucken, nur einige Orte wie München haben auch einen besonderen Namen im Englischen (Munich).

Die derzeitige Lösung ist ineffizient und mit vertretbarem Hardwareaufwand nicht für so viele Sprachen umzusetzen. Um eine bessere Lösung zu finden, muss sich das Projekt mit verschiedene Fragen beschäftigen. Zuerst muss man irgendwie erkennen, in welchen Sprachen eine Kachel überhaupt vorliegen könnte. Wir wollen nicht mühsam 200 Mal eine Kachel in Patagonien berechnen, wenn wir nachher feststellen, dass es es nur zwei Sprachvarianten davon gibt. Dafür muss irgendeine Art von Datenbank eingerichtet werden, die einem angibt, wo überhaupt welche Sprachen verwendet werden.

Dann muss der Mapnik-Renderer entsprechend konfiguriert werden, damit er die Namen in der richtigen Sprache in die Kacheln hineinrendert. Derzeit ist das etwas problematisch, weil die ganze riesige Konfiguration für den Mapnik für jede Sprache vorgehalten werden muss, obwohl nur kleine Teile eigentlich verschieden sind.

Sind die Kacheln dann gerendert müssen sie effizient gespeichert werden, zusammen mit der Information für welche Sprachen sie verwendet werden können. Dabei wird es sich häufig nicht vermeiden lassen, dass doch mal zwei Kacheln berechnet werden, die sich als gleich herausstellen. Wir sollten also auch feststellen, wenn Kacheln gleich sind, damit wir sie dann nur einmal speichern, um nicht zu viel Plattenplatz zu verbrauchen.

Bei all diesen Stufen ist auch noch zu berücksichtigen, dass sich die OSM-Daten häufig ändern und die Kacheln daher immer wieder neu berechnet werden müssen. Dabei kann es zum Beispiel sein, dass eine Kachel, die bisher nur in einer Sprache vorlag, jetzt in zwei Sprachen vorliegt und es müssen dann alle nötigen Anpassungen vorgenommen werden.

Die Lösung sollte auch möglichst flexibel sein, sodass man dann im Betrieb experimentieren kann, zum Beispiel damit, wann welche Kacheln neu gerendert werden.

Und trotz dieser vielen komplexen Komponenten muss es auch noch schnell gehen. Die Wikipedia wird von sehr vielen Leuten verwendet und die Kacheln müssen schnell und effizient an den Browser ausgeliefert werden. Und um so weniger Ressourcen das verbraucht, um so besser, weil Hardware in Anschaffung und Betrieb viel Geld kostet.

Eine denkbare Alternative wäre es natürlich, komplette auf Vektordaten umzustellen, also erst im Browser die Karten aus den Rohdaten zu zeichnen und dabei die gewünschte Sprache zu berücksichtigen. Ebenfalls denkbar wäre ein Hybridmodell, bei dem die Karten weiterhin auf dem Server gezeichnet werden, die Namen von Orten, Straßen, usw. aber erst im Browser dazugezeichnet werden. Beide Ansätze gehen aber möglicherweise zu Lasten der Darstellungsqualität und sie erfordern moderne Browser und schnelle Rechner, womit man noch nicht überall rechnen kann. Die Wikimedia muss vorallem auch auf ärmere Länder Rücksicht nehmen, wo viele das Internet über ihr Mobiltelefon oder mit älteren Rechnern nutzen. Außerdem sind die Techniken zum Kartenrendering im Browser noch recht neu und es liegen lange nicht so viele Erfahrung damit vor wie der bewährten „Bitmap-Kachel-Technik“. Wir haben uns daher entschlossen, in diesem Projekt die bewährte Technik fortzuführen und auszubauen.

Das Projekt bringt nicht nur die Wikipedia vorran, sondern hilft allen, die OpenStreetMap-Karten verwenden. Größere und robustere Tileserver brauchen wir auch an anderer Stelle. Und die hier zu entwickelnde Software ist auch über den Bereich der mehrsprachigen Karten hinaus interessant. Will man zum Beispiel Autobahnen entsprechend der in einem Land üblichen Farbe zeichnen und mit den passenden Symbolen versehen, so hat man eigentlich ein vergleichbares Problem: Karten, die für verschiedene Gegenden etwas anders aussehen als in anderen Bereichen. Die Lösung sollte sich also auf andere Anwendungen erweitern lassen, auch wenn das nicht im Fokus dieses Projektes ist.

Das Projekt wird vom Wikimedia e.V. mit 20.000 EUR gefördert. Das erlaubt es mir mehrere Monate lang konzentriert daran zu arbeiten. In der ersten Phase geht es jetzt darum einen Plan zu entwickeln, wie das ganze aussehen soll. Welche vorhandene Software soll zum Einsatz kommen? Welche Komponenten müssen neu programmiert werden? Eine mögliche Komponente ist dabei natürlich der Tileserver Tirex, aber noch sind keine endgültigen Entscheidungen getroffen worden, welche Software verwendet wird.

Hier sind wir auch auf Euren Input angewiesen. Wir wollen insbesondere von denjenigen unter Euch hören, die bereits große Tileserver oder Tileserver mit mehreren Stilen betreiben. Aber auch sonst gibt es sicher Ideen, wie man zum Beispiel die vielen Kacheln effizient speichern oder wie man die Zuordnung von Sprachen zu Kacheln realisieren könnte.

Anregungen, Ideen und Diskussionen sind am besten auf der OSM-Developer-Liste aufgehoben. Ihr könnt Euch aber auch direkt an mich wenden. Koordiniert wird das Projekt über das OSM-Wiki.

Am Mittwoch, den 21. März 2012 werden wir im Rahmen der FOSSGIS-Konferenz in Dessau auch eine Community-Session dazu veranstalten.

Wochennotiz Nr. 86

4.3. – 10.3.2012

iPhoto benutzt OpenStreetMap-Daten [1]

Talk, Forum, Wiki & Blog

  • Ein Bericht zum Hack Weekend Karlsruhe mit Ankündigung eines weiteren Events im Juni 2012.
  • Ein Video über die kommende Open Source Routing Machine.
  • Ein Artikel über erste Änderungen mit ArcGIS für OpenStreetMap.
  • Eine Diskussion über die zunehmende Komplexität der OSM-Modellierung.

ODbL

  • Auf netzpolitik.org ist ein Artikel über den Lizenzwechsel erschienen.

openstreetmap.de

  • Roland hat mit der Overpass API eine Möglichkeit geschaffen, dauerhafte Links zu OpenStreetMap zu erstellen und dazu ein Blogartikel geschrieben.

OpenStreetMap-Foundation

  • Neue OSMF-Server wurden installiert und wir begrüßen mit Ian Dees und Sarah Hoffman zwei neue Administratoren.

#switch2osm

  • Am Mittwoch hat Apple eine neue Version von iPhoto vorgestellt. Mit Hilfe der Website und weiteren Untersuchungen war nach kurzer Zeit klar, dass Apple OpenStreetMap-Daten benutzt. Die Daten sind vom April 2010 und können mit der Website angeschaut werden. Im Artikel der OSMF wird Apple als neuer Nutzer begrüßt und angekündigt, Apple wegen der fehlende Kennzeichnung zu kontaktieren. Erste „Probleme“ mit der neuen Aufmerksamkeit beschreibt Richard Fairhurst.

Programme

  • Mit dem OpenSource-Framework kartograph können Vektormaps erstellt werden.
  • Der regelbasierte OSM-Renderer Smrender wurde veröffentlicht.
  • Aus OSM-Daten benötigte Coastlines erstellen.

Dauerhafte Links nach OSM

Ein einzelnes Objekt (Knoten, Weg oder Relation) in OSM lässt sich zwar über seine ID identifizieren, aber diese ID kann kurzlebiger als das Objekt sein. Ein Beispiel dafür sind im Wiki Links der Form http://www.openstreetmap.org/browse/relation/23092.

Aktuell erhalten viele Objekte im Rahmen des Lizenzwechsels eine andere ID. Aber auch das Aufspalten eines Weges in zwei Teilwege führt dazu, dass die eine Hälfte nicht mehr über die alte ID auffindbar ist.

Mit Hilfe der Overpass API können in OpenStreetMap jetzt auch semantische, permanente Links gesetzt werden. Aus einem Link wie oben wird dann ein Link auf die Relation, die das Tag „ref“ mit dem Wert „A 555“ und das Tag „network“ mit dem Wert „BAB“ hat:
http://overpass-api.de/api/interpreter?data=[out:custom];rel[ref=“A 555″][network=BAB];out;
Ein solcher Link ist nun tatsächlich gültig, so lange das beschriebene Objekt existiert, egal mit welcher ID. Gibt es genau eine Relation mit diesen Eigenschaften, wird auf die entsprechende Seite http://www.openstreetmap.org/browse/relation/23092 weitergeleitet. Gibt es mehr als eine Relation oder keine Relation, wird eine Auswahlseite angezeigt.

Ein Beispiel für das Verlinken befindet sich auf der Seite WSW_mobil#CityExpress. Die Links dort sind mit dem Template Template:PTRoute erzeugt. Die Identifikation der gesuchten Relationen erfolgt hier über die beiden Tags _network_ und _ref_. Dabei erfüllen die Templates nun auch eine wichtige semantische Aufgabe: Sie drücken aus, welche Tags für eine bestimmte Kategorie von Objekten (z.B. Autobahnen oder Buslinien) sinntragend sind.

Dabei lässt sich auch das Linkziel und das Aussehen der Suchergebnisseite frei einstellen. Ebenso lassen sich auch geographische Begrenzungen zur Identifikation des Objekts verwenden. Details hierzu sind auf der Wikiseite Overpass_API/Permanent_ID (in Englisch) erläutert.

Damit können tote Links im Wiki mit einmaligem Ändern durch dauerhaft aktuelle ersetzt werden.

Wochennotiz Nr. 85

26.2. – 3.3.2011

Das Poster zum FOSSGIS Kongress 2012 [1]

Talk, Forum, Wiki & Blog

  • Die osmstats hat eine Länderstatistik bekommen. In Deutschland editieren zwischen 400 und 650 User täglich. Das ist rund dreimal soviel wie in dem zweitaktivsten Land, Russland (zwischen 160 und 220 User).
  • Das Bürgerportal offeneskoeln.de wurde von der Euro-Cities AG abgemahnt. Gleichzeitig kündigt koeln.de den Vertrag mit dieser Firma und möchte OpenStreetMap nutzen.
  • Die Wikiseite Import Wheelmap dient zur Koordinierung beim Übertragen von älteren Wheelmapdaten, die noch nicht synchronisiert wurden.
  • Ein Artikel über „Maps Marker“ auf futurezone.at.
  • Diese Woche wurden Verdächtige im Mordfall Ulf verhaftet.
  • Pascal hat zum Eintragen von Gebäuden zwei Grafiken erstellt.
  • Ein kleiner Übersichtsartikel über OpenStreetMap im aktuellen FreienMagazin.

ODbL

  • Die Cleanmap hat einen neuen Layer “UNDELETE_IT” bekommen. Im Wiki Remapping wird beschrieben, wie er verwendet werden kann.
  • Der OSMI-Lizenz-View unterstützt Relationen, wie genau beschreibt Frederik hier.
  • Auf der Mailingliste Talk-at wird über den Lizenzwechsel diskutiert.
  • Frederik erzeugt tägliche eine Liste mit Relationen, die lizenzrechtlich “problematisch” sind.
  • Simon hat eine Liste zum Remappen von wichtigen Straßen in Deutschland erstellt. Außerdem hat er eine Liste mit Usernamen erstellt, die sich nur in der Groß-Kleinschreibung unterscheiden.

openstreetmap.de

Humanitarian OpenStreetMap Team

Konferenzen

Karten

  • Auf MapBox.com bietet Development Seed einen eigenen Mapnik-Stil “streets” für die gesamte Welt an. Momentan bis Zoom 16, später soll bis Zoom 18 angeboten werden.
  • Die Lichtkarte ist als transparenter Overlay für den Apps4DE Wettbewerb programmiert worden.
  • Die OpenMapQuest-Karte hat ein Update bekommen, z.B. Autobahnschilder.
  • Die Website ito Map wurde neu designt.

#switch2osm

  • Das standortbezogene soziale Netzwerk foursquare wechselt zu OpenStreetMap. Auf das (auch negative) Feedback der User hat foursquare geantwortet. Andrew Turner hat einige Überlegungen dazu aufgeschrieben.

Programme

  • Ein Tutorial zu TileMill und Processing.
  • Es stehen neue Extrakte des Full History Dumps bereit.
  • Es wird an einem Mapnik-Aufsatz gearbeitet, um einfach Karten für Printmedien zu erzeugen.

sonstiges

  • Die Maus erklärt in den Sachgeschichten das “Navigationssystem”.
  • Ein Mitarbeiter der Weltbank antwortet auf den Artikel zum Projekt Weltbank-Google Maps.
  • Das DLR gibt Bilder unter der CC-BY Lizenz frei.

Google ist nicht unser Feind

Viele denken, OpenStreetMap sei Googles Gegenspieler, oder zumindest, etwas bescheidener, wenigstens ein Konkurrent von Google. Wenn ich OpenStreetMap in einem Absatz erkläre, benutze ich oft auch eine Phrase wie „im Gegensatz zu Google Maps kann man bei OpenStreetMap …“. Vielleicht ist das der Grund, warum viele im Umkehrschluss denken: Google ist unser Feind.

Aber stimmt das wirklich?

Wir sind eigentlich immer gut mit Google ausgekommen. Ed Parsons, der „geospatial technologist“ von Google, und Steve Coast kennen sich schon länger; Steve hat mit OpenStreetMap angefangen, weil er frustriert war von den knausrigen Lizenzen der (halb)staatlichen Geodatenagentur Ordnance Survey in Großbritannien. Zu der Zeit war Ed Parsons der CTO von Ordnance Survey und hat die Linie seines Unternehmens öfter mal in der Öffentlichkeit verteidigt. (Einige sagen, er war vielleicht genauso frustriert von den OS-Lizenzen wie wir.) Im Jahr 2006 hat Steve sogar mal ein Interview mit Ed für das OpenGeoData-Blog gemacht. Als wir 2007 unsere erste „State of the Map“-Konferenz in Manchester veranstaltet haben, hat Ed – inzwischen bei Google – die Eröffnungsrede gehalten, und er war als Gast und Redner bei vielen weiteren unserer Konferenzen. Zur SOTM 2011 schrieb er: „Großartiges Wochenende bei der State of the Map. OpenStreetMap fühlt sich schon wie ein wirklich reifes Projekt an.“

Google hat die „State of the Map“ gesponsert, hat uns seit unserer ersten Teilnahme 2008 jedes Jahr mehrere Plätze in ihrem „Summer of Code“-Programm zugeteilt, und als wir 2009 zum ersten Mal zu einer Spendenaktion für einen neuen Server aufgerufen haben, hat Google sich mit 5.000 Pfund beteiligt – ohne dass wir überhaupt gefragt hätten.

Auch technologisch profitieren wir jeden Tag von Googles Vorreiterrolle. Dass wir einfach so eine OpenLayers-Karte auf eine beliebige Webseite stecken können und jeder weiß, wie man sie benutzt: Google hat es vorgemacht. Die Projektion, die wir alle benutzen und die für Karten im Web vieles vereinfacht: Google hat sie erfunden. Das platzsparende PBF-Datenformat für OSM-Dateien: basiert auf Googles „protocol buffers“. Ich glaube nicht, dass OpenStreetMap von irgendeinem anderen Unternehmen mehr profitiert hat als von Google. Ich habe selbst schon zahllose Stunden Zeit eingespart, weil ich OpenStreetMap so erklären konnte: „Es ist wie Google Maps, nur dass jeder mitmachen und die Daten weiternutzen kann.“

Ja, es gab ein paar Problemchen in der Vergangenheit, wenn wieder einmal OSM-Daten irgendwo auf der Google-Karte auftauchten, aber das konnte meistens schnell „auf der Chef-Ebene“ geklärt werden; soweit ich sehen kann, waren das immer Fälle, in denen irgendein Google-Zulieferer oder ein Nutzer des „Map Maker“ Mist gebaut hatte. Umgekehrt das gleiche – von Zeit zu Zeit ist auch bei OpenStreetMap jemand übereifrig und benutzt unzulässigerweise Google-Quellen, und wir werfen diese Daten dann raus, ohne – soweit ich weiß – jemals von Google deswegen kritisiert oder gar abgemahnt worden zu sein.

Ich bin kein Google-Insider, aber für mich liegt auf der Hand, dass Googles Agenda die Verbesserung und Beobachtung des Informationsflusses im Internet ist. Dabei gewinnt Google wertvolle Einsichten in das, was die Vor-Facebook-Generation eventuell noch unter der Bezeichnung „Privatsphäre“ kennt, und kann Werbung verkaufen. Google liest Deine E-Mail – aber nicht, weil sie böse sind, sondern weil Du Dich aus freien Stücken entscheidest, ihren kostenlos angebotenen und technologisch überlegenen E-Mail-Dienst zu benutzen. Google liest sogar interne OSMF-Papiere, bevor wir sie zu sehen bekommen, weil die OSMF Google Docs benutzt. Ich gebe gerne zu, dass ich diese Allgegenwärtigkeit und Beinahe-Allwissenheit von Google etwas bedrohlich finde, aber das macht Google nicht zu unserem Gegner. Ich bin sicher, Google würde gern auch unsere Karten verteilen und Nutzer dabei beobachten, was sie damit machen – das ist Googles Ding. Offenbar schien ihnen unsere Lizenz bislang ungeeignet dafür, und damit sind sie ja nicht allein; bestimmt gibt es eine Menge andere Unternehmen, die sich aus den gleichen Gründen bislang nicht an OSM herangetraut haben. Mit dem Lizenzwechsel könnte sich das ändern.

Wir sind schon ein paarmal auf Google zugegangen, weil wir ihre Luftbilder gern benutzen würden. Die Abdeckung und Qualität des Google-Materials ist vielerorts besser als das, was wir von Bing bekommen haben. Das hat bislang leider nicht gefruchtet – die offizielle Aussage ist, dass sie von ihren Luftbild-Anbietern keine Lizenz haben, die das Abdigitalisieren erlauben würde. Das klingt etwas seltsam im Angesicht von Map Maker, aber wer weiss – ich habe schon sehr viele seltsame Lizenzen im Kartographiebereich gesehen. Googles „StreetView“-Bilder könnten uns auch viel beim Mapping helfen; wir haben keine generelle Erlaubnis, diese Bilder zu benutzen, aber für ein paar einzelne Aktionen wurde uns schon erlaubt, unsere Datenerfassung mittels StreetView zu verbessern.

OpenStreetMap versucht nicht, das „bessere Google Maps“ zu sein. Das könnten wir nie – dazu fehlen uns ein paar Überseecontainer voller Hardware. Google war kürzlich in den Nachrichten, weil es hieß, dass man für intensive Nutzung der Maps-API künftig zahlen müsse, und prompt sind einige Leute medienwirksam auf den switch2osm-Zug aufgesprungen. Darüber freuen wir uns zwar, aber zugleich muss man ehrlicherweise feststellen: Wer mit OpenStreetMap die gleiche Dienstqualität erreichen will wie mit Google Maps, mit einem guten CDN, mit Hochlastkapazität und der Redundanz, die Google bietet, der kommt auch nicht billiger weg als das, was Google anbietet. OpenStreetMap wird auch in absehbarer Zeit keine Luftbilder anbieten, und viele andere Dinge, die ein Google Maps-Nutzer selbstverständlich findet, fehlen bei OpenStreetMap.

Wir bei OpenStreetMap wollen nicht eine Alternative zu Google Maps sein, sondern zu amtlichen oder gewerblich erhältlichen Geodatenbanken. Dadurch sind wir eher ein Konkurrent von TeleAtlas oder Navteq als von Google. Google hat zwar in der jüngsten Zeit auch angefangen, eigene Geodaten zu sammeln – aber doch nur, weil sie eben unter dem gleichen Problem leiden, das OpenStreetMap auch zu lösen versucht, nämlich dem Mangel an zu akzeptablen Konditionen erhältlichen Geodaten.

Zwei unserer Vorstandsmitglieder bei der OpenStreetMap Foundation – Steve Coast und Mikel Maron – haben in der jüngeren Vergangenheit öffentlich Kritik an Google geübt. Ein Anlass war ein Fall von Vandalismus bei OSM, in dem beide voreilig annahmen, dass Google beteiligt war oder ihn zumindest fahrlässig in Kauf genommen hatte. Mikel hat Google außerdem sehr deutlich wegen ihrer Geschäftsstrategie in Entwicklungsländern kritisiert, in der er einen Affront gegen die Open-Data-Bewegung sah. Auch eine Vereinbarung, die Google kürzlich mit der Weltbank abgeschlossen hat und die, würde sie umgesetzt, das Bekenntnis der Weltbank zu Open Data unterliefe, hat Google Kritik von Mikel eingebracht.

Google ist eine Organisation wie alle anderen auch. Auch dort gilt: Wenn man nicht aufpasst, hat man irgendwann Leute, die ihre eigenen Ziele verfolgen, dann geht es einzelnen Managern irgendwann um ihren eigenen Vorteil oder darum, irgendwelche hochgesteckten Karriereziele zu erreichen. Da kann schonmal etwas schiefgehen, und es ist gut, wenn wir Google im Auge behalten und ihnen bei Bedarf ab und zu auch mal auf die Finger klopfen. Aber im Großen und Ganzen, auf dem Spielfeld von „crowdsourced Schwarm-Intelligenz“ versus „Daten-Kathedralen von Verwaltung und Firmen“ ist Google, wie ich finde, auf der gleichen Seite wie wir.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch unter dem Titel „Google is not the Enemy“ in Frederiks Blog, osm.gryph.de. Auf Einladung der Wochennotiz-Redaktion hat Frederik seinen Artikel ins Deutsche übersetzt und hier publiziert.

Wochennotiz Nr. 84

19.2. – 25.2.2012

Administrative Grenzen zum Download [1]

Talk, Forum, Wiki & Blog

  • Im Guardian ist ein Artikel aus der Serie „Britain’s 50 new radicals“ mit Visionären des 21. Jahrhunderts über Steve Coast erschienen.
  • Matthias hat die Dosenfischer besucht und erzählt etwas über OpenStreetMap.
  • Im Geocacherblog wird über das Tagging von Wegen in Naturschutzgebieten berichtet.
  • Ein OSM-Treffen auf der CeBIT wird geplant.
  • Kolumbien und der südöstliche Teil Brandenburgs haben offenbar neue Satellitenbilder in Bing erhalten.
  • Kartenschonende Falttechnik zum Entfalten in einer Bewegung von Professor Miura. So sollte es aussehen.
  • Nur 3% Frauenquote bei OpenStreetMap. Beim Hackweekend im Karlsruhe waren es 6,5 %.
  • Einige Bonner User koordinieren eine Aktion zum Lizenzwechsel, in der unentschlossene User im Regierungsbezirk Köln angeschrieben werden sollen.
  • Für die SOTM in Japan wird ein schönes Logo gesucht.

ODbL

OpenStreetMap-Foundation

  • Mit Hilfe einer Webseite wird versucht, die Mörder von Ulf zu finden.

Humanitarian OpenStreetMap Team

  • HOT möchte ein kreolisches OSM-Buch in Haiti erstellen und sucht Hilfe für das Kickstarter-Projekt.

Karten

  • [1] Seit einigen Tagen sind in Deutschland alle politischen Gemeinden mittels Grenzrelation erfasst. Auf ags.misterboo.de kann man die Gemeinden suchen und downloaden. Probleme mit den Grenzrelationen  werden ebenfalls angezeigt.
  • Die OpenLinkMap kann in eigene Webseiten eingebaut werden.
  • Eine OSM-Karte mit ASTER Hillshading (30m Raster) von der Universität Heidelberg.
  • Eine neue Karte für unterwegs mit Hotel, Zeltplätzen und Pensionen und eine Karte mit Zigarrettenautomaten.

#switch2osm

  • Auf den Webseiten des Tourismus Marketings Niedersachsen werden OSM-Karten benutzt, wenn man heranzoomt.
  • Auf den Webseiten der EU wird OpenStreetMap als Webkarte empfohlen.

Programme

  • Das OpenSource-Tool Freemind kann nun Geopositionen und OpenStreetMap-Karten integrieren.
  • Skobbler stellt den Support für ihre Android Navi-App ein und nimmt die App aus dem Android Market. Mehr Hintergründe zu der Entscheidung finden sich auch in einem Interview im iPhoneBlog. Die App Forevermap von Skobbler wird weiterhin unterstützt.
  • Für das Rendering und Routen auf Windows ist mit OSM Explorer ein weiteres Opensourcetool erschienen.

sonstiges

  • Ein Artikel über das Projekt zwischen der Weltbank und Google Map Maker.
  • SteveC hat ein neues Projekt opengeocoder.net gestartet.