OSM-Wochennotiz Nr. 10

19.9-25.9.2010

Das Autorenteam Jonas, Mitja, Claudius, Stephan, Pascal, Marc, Michael, Henri, Matthias und Olaf wünscht viel Spaß beim Lesen.

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  • OSM in der National Geographic
  • MapQuest gab auch die Ernennung von Hurricane Coast für die Verwaltung des 1-Million-Dollar-US-OSM-Investmentfonds bekannt. Meldung

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Spitzengespräch „Digitalisierung von Stadt und Land“ im BMI

Prolog

Seit Juli 2008 fertigt Google für sein Projekt Street View Panoramaaufnahmen des öffentlichen Straßenraums an. Die hierfür durch die Städte fahrenden Autos sind sehr auffällig und die lokale Presse berichtet darüber. Besorgte Bürger wenden sich an die Stadträte und die beschließen, dass der Oberbürgermeister etwas unternehmen muss.

Ein Oberbürgermeister klärt seine Bürger über eine eigens eingerichtete Internetseite auf, übersieht aber, dass auf dieser Seite, als auch auf allen anderen städtischen Seiten wie Tourist-Information, Gesundheit und Bürgerservice incl. Lebenslagen-Beratung das Surfverhalten genauestens mittels Google Analytics protokolliert wird. Zu seiner Ehrenrettung sei erwähnt, dass es sich nach einem kleinen diskreten Hinweis in weniger als 24 Stunden ausgegoogelt hatte.

Nachdem in der Bundesstadt Bonn Google alle Bilder im Kasten und _sightwalk bereits im Netz hat, ergänzen die Politiker die Straßensondernutzungssatzung, so dass nun jede Nutzung der Straße zu dem Zweck, eine umfassende fotografische oder digitale Darstellung des Gemeindegebietes oder eines Zusammenhängenden Teils dieses Gebietes oder einzelner Straßenzüge aufzunehmen oder grafisch oder digital weiter zu verwenden erlaubnis- und gebührenpflichtig ist. Der Stadtkämmerer darf sich über 20 € je angefangenen Straßenkilometer freuen, aber es wurde bis heute noch nach keiner dementsprechenden Erlaubnis nachgefragt und es floss noch kein Cent in das Stadtsäckel. Soweit ein gemeinnütziger oder kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, kann die Gebühr ermäßigt oder von der Erhebung abgesehen werden. Muss aber nicht. Und wie sind die Mitwirkenden von OpenStreetMap einzuordnen? Z.B. erlaubt das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL-BW) nicht einmal gegen Bezahlung die Nutzung von amtlichen Geobasisdaten für OSM-Zwecke, da aufgrund der freien Lizenz die daraus gewonnen Daten auch für kommerzielle Zwecke weiterverwendet werden dürfen. OSM wird hier schlimmer als ein kommerzielles Unternehmen eingestuft.

Aber auch offiziell Nutzungsberechtigte haben ihre Probleme mit dem LGL-BW. Für meine Heimatstadt mit knapp 150 km² Fläche ist es wirtschaftlicher, bei einem Privatanbieter eine Befliegung für ein eigenes Luftbild mit alleinigen Nutzungsrechten zu beauftragen, als eine Nutzungslizenz für das sehr aktuelle amtliche Luftbild zu erwerben.

Mein Ansinnen, dieses Luftbild, welches ich mit meinen kommunalen Abgaben mitfinanziere, auch für OSM-Zwecke mitbenutzen zu können, wurde mehrmals abgelehnt mit dem Hinweis, es sei nur für die interne Verwaltungsarbeit vorgesehen und man wolle keinen Präzedenzfall schaffen.  Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass OpenStreetMap-Mitwirkende vom Leiter des städtischen Fachgebiet Geoinformationssysteme als diejenigen eingestuft werden, die bei Google ein paar Punkte in die Karte einzeichnen!

Sommerloch

Mitten in den Sommerferien gibt Google bekannt, dass noch in diesen Jahr  die Fotos der 20 größten Städte des Landes veröffentlicht werden. Ganz Deutschland erinnert sich wieder an das Thema und auch die Regierung erkennt einen Handlungsbedarf. Da Geodaten für die Wirtschaft inzwischen sehr wichtig sind, entschließt man sich jedoch, vor einer gesetzlichen Regelung alle Betroffenen in einem Spitzengespräch zu Wort kommen zu lassen.

In meiner Befürchtung, es könnte bei einer gesetzlichen Regelung der Geodatendienste zu einer ähnlichen unklaren Situation für OpenStreetMap wie in Bonn kommen, habe ich eine E-Mail an Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern, mit meinem Anliegen geschrieben und ihn gebeten, mich zu dem Gespräch einzuladen. Aufgrund der Erfahrungen in meiner Heimatstadt, wo es nicht einmal zu einem erbetenen Gespräch mit dem zuständigen Bürgermeister kam, hatte ich allerdings wenig Hoffnung, Gehör zu finden.

Spitzengespräch

Um so überraschter war ich, als mir nach einiger Zeit der Minister mitteilte, er würde sich über meine Teilnahme an der Veranstaltung freuen. Schnell wurde die Community mittels des Forums informiert und um Meinungen gebeten.

Auch der Minister nutzte vorab das Internet, um von den Bürgerinnen und Bürgern Fragen zum Thema entgegenzunehmen, welche nach ein paar Tagen bewertet werden konnten. Die drei erstplatzierten Fragen beantwortete er einen Tag nach der Veranstaltung in einem Videopodcast.

Am 20. September fand dann das Spitzengespräch statt. Die Teilnehmer waren in alphabetischer Reihenfolge ihres Nachnamens am Tisch platziert. Mein Sitzplatz ist im unteren Bild mit „OSM“ gekennzeichnet.

 

Blick in die Gesprächsrunde

Blick in die Gesprächsrunde - Quelle: Bundesministerium des Innern / Hans-Joachim M. Rickel

 

Der Minister war sehr gut auf das Thema vorbereitet. Nach seiner kurzen Eröffnungsansprache und den Beiträgen der  beiden Ministerinnen benannte er vier bestehende Geodatendienste, die er um eine Vorstellung der Tätigkeit sowie Aussagen zum Thema bat: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG), Deutscher Dachverband für Geoinformation (DDGI) e.V., panogate (_sightwalk) und OpenStreetMap.

Mein Beitrag bestand aus einer kurzen Historie des Projekts, dem Ziel einer freien Weltkarte, was wir erfassen (natürlich auch Hausnummern), Hinweis auf die lizenzkostenfreie Nutzung unserer Daten und den sich daraus ergebenden Nutzen auch für Wissenschaft und Forschung und deren rege Nutzung. Ich habe weltweit 100.000 Beitragende erwähnt, davon die Hälfte in Deutschland, also quasi derzeit die führende Nation.

Dann konnte ich mir aufgrund der Äußerungen des BKG (Nutzung des Geoportals des Bundes durch interessierte Bürger) nicht verkneifen, dass es, im Gegensatz zu Frankreich und den USA, in Deutschland kaum eine Unterstützung durch öffentliche Geodaten für unser Projekt gibt und ich in diesem Bereich das Gefühl einer Kirchturmpolitik und Kleinstaaterei habe. Das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL-BW) verweigert mir eine Nutzung amtlicher Luftbilder für OSM-Zwecke selbst gegen die Bereitschaft, wie ein kommerzielles Unternehmen dafür zu bezahlen.

Danach fragte mich der Minister, ob wir auch die Klingelschilder erfassen würden. Ich verneinte dies, erwähnte aber, dass ich z.B. bei einem Tierarzt auf dem Land mit Leuchtreklame neben der Adresse folgendes vom Praxisschild erfasse: Name, Telefon, Sprechstundenzeiten.

Danach kam die Frage, wie bei OSM mit dem Datenschutz umgegangen wird. Ich bezog mich auf eine der Ethikregeln des Chaos Computer Clubs, in meiner Aufregung allerdings leicht abgeändert:

öffentliches nützen – privates schützen

Von dieser Antwort war der Minister sehr überrascht, denn er wusste bis zu diesem Zeitpunkt wohl nicht, dass auch „Hacker“ sich für den Schutz der Privatsphäre einsetzen.

<ab hier jetzt nur noch das Wichtigste>

Danach wurden vier zukünftige Dienste um ihr Wort gebeten: DLR, Google, Microsoft und Telekom.

Nachdem Dr. Rainer Stentzel vom BMI noch etwas zur Rechtslage gesagt hatte, war die vorgegebene Rednerliste beendet und es konnten sich die anderen Teilnehmer zu Wort melden. Recht schnell wurde eigentlich nur noch von Bildern, Hausfassaden und Verpixelung (auch kompletter Personen) geredet. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit warb für ein zentrales Widerspruchsregister für Geodatendienste, der Bundesinnenminister differenzierte nach Datenerfassern, Datenverknüpfern und Datenveröffentlichern, die Medien sahen die Panoramafreiheit gefährdet.

Dann wurden die Probleme immer verfeinert: Wer hat den höherwertigen Widerspruch: Mieter, Vermieter ?
Was ist bei Wohnungseigentümergemeinschaften, was wenn der Vermieter nicht will, aber der Kneipenbesitzer im Erdgeschoss will, …  der widersprechende Mieter zieht irgendwann aus, …, kann man nach einer Fassadenverschönerung ein neues Bild ohne Baugerüst beantragen?

Sightwalk verwies auf seine Kamerahöhe von nur 1,90, Google begründete seine Kamerahöhe von 2,90 mit der freien Sicht auf Verkehrsschilder, die dann auch automatisiert für ein Kataster ausgewertet werden können. Außerdem läge ein Gutachten vor, wodurch sich bei einer Fahrt nahe der Straßenmitte die „gefühlte Kamerahöhe“ am Straßenrand auf 1,90 verringere !!!!

Jens Best (Aktion verschollene Häuser) zitierte jede Menge Gesetzestexte und sonstige Juristerei zugunsten der Rechtmäßigkeit seines Vorhabens mit inzwischen 500 angemeldeten Fotografen. Er fühlte sich durch eine angebliche Beleidigung seiner Person durch den Bundesdatenschutzbeauftragten geehrt.
Er will seine Bilder in alle Geodatendienste reinstellen und meinte, dass die OSM-API hierfür noch nicht so richtig geeignet wäre!!!

Zu meiner Linken saß der Vorsitzende des Düsseldorfer Kreises, eine informelle Vereinigung der obersten Aufsichtsbehörden, die in Deutschland die Einhaltung des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich überwachen. Ich hatte in meinen Unterlagen eine Leistungsbeschreibung und Preisliste des LGL-BW für Hauskoordinaten dabei, was unserem Hausnummernmapping nach dem Karlsruher Schema entspricht, und habe dies ihm gezeigt. Nach einem kurzen Blick meinte er, daß dies nicht unter den Datenschutz fällt. Ich werde mir dies auf jeden Fall nochmal schriftlich bestätigen lassen.

Fazit

Damit besteht eigentlich für uns kein großer Handlungsbedarf, wenn darauf geachtet wird, dass keine „Klingelschild-Mapping-Daten“ oder sonstige persönliche Informationen in den Datenbestand kommen. Für mittels OpenLayers „aufgesetzte“ fragwürdige Dienste oder wenn unser Datenbestand kopiert und erweitert wird, können wir keine Verantwortung übernehmen.

Auch nach der Aussage des Bundesdatenschutzbeauftragten sind „traditionelle Geodatendienste“ von dem ganzen Rummel wohl nicht betroffen.

Ich werde in den nächsten Wochen mit Hilfe der beim Spitzengespräch geknüpften Kontakten abklären, ob die Erweiterung unserer „goldenen Regeln“ (auf der Start-Seite von JOSM)

  • Nicht von anderen Karten kopieren
  • Spaß haben!

um eine Zeile

  • öffentliches nützen – privates schützen

die Eckpunkte des BMI erfüllt, nach deren Grundlage die Branche zum 07.  Dezember 2010 auf dem IT Gipfel der Datenschutz-Kodex der Geodatendienste vorgelegen soll.

Chancen

Bei der Beantwortung der dritten Bürgerfrage

… Warum sind die Karten- und Geodaten des Staates – die eine ähnliche Funktion erfüllen könnten – nicht für alle Bürger als Basis einer freien Öffentlichkeit verfügbar? …

im Videopodcast, begründet der Minister zuerst die Lizenzgebühren der Vermessungsämter für „komplizierte Daten“. Dann folgt (ab 06:00)

… also die allgemeinen Daten sind offen, die speziellen Daten, die für Geschäftsbereiche genutzt werden, die müssen gegebenenfalls kostenmäßig erworben werden, aber sie stehen grundsätzlich für die Bürger zur Verfügung, Open Data nennt man das. Auf dem Weg sind wir, noch nicht so ganz so weit wie andere Staaten, aber da werden wir auch vorangehen …

Ich interpretiere Open Data in der Definition von Wikipedia als eine Philosophie und Praxis, die zur Grundlage hat, dass Daten frei für jedermann verfügbar und frei von Copyrights, Patenten oder anderen Kontrollmechanismen sind.

Ich habe sicherheitshalber im Ministerium nachgefragt und erhielt von einem Pressesprecher am heutigen Samstag folgende Auskunft:

Danke für die Nachfrage. Ich kann das so aber nicht bestätigen. Auch wenn der Minister in diesem Zusammenhang den Begriff „open data“ – der ja keine abschließende Begriffsdefinition bisher gefunden hat – gebraucht hat, ist damit aber nicht open data in dem von Ihnen genannten Sinnen zu verstehen. Die Geodaten des Bundes sind zT verfügbar, zT auch nur kostenpflichtig verfügbar. In diesem Sinne bitte ich Herrn Minister auch zu verstehen.

Im Verlauf der nächsten Woche werde ich versuchen, genauere Auskünfte zu erhalten. Macht euch keine allzu großen Hoffnungen, denn die für OpenStreetMap interessanten Geodaten befinden sich in der Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer.

Dank an …

Im Forum wurde mir mehrfach für meine Aktivitäten im Umfeld „Danke“ gessagt. Diesen Dank möchte ich an die weltweite Community weiterreichen: An Steve Coast für die Projektgründung, an alle Mapper, alle Programmierer von Editoren, Plugins, Tools und Datenbanken, an die Ersteller von Raster- und Vektorkarten und an alle, die OpenStreetMap in einer noch nicht genannten Form unterstützen.

Dank auch an Friedrich L. für die Frage und an alle, die sie auf den 3. Platz gewählt haben.

Besonderen Dank an  Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern, für die Möglichkeit, die Interessen von OpenStreetMap beim Spitzengespräch vertreten zu können. Bei der anschließenden Pressekonferenz bezeichnete er sich als „Internetminister“. Auf die erstaunte Nachfrage des Journalisten zählte er alles auf, wofür er zuständig sei. Jetzt hat er einen Posten mehr: OpenGeoData-Minister, wenn auch noch geklärt werden muss, was unter „Open“ zu verstehen ist.

(Joachim ist Mapper seit Mai 2008 und regelmäßiger Teilnehmer am Karlsruher OSM-Stammtisch.)

Dr. Thomas de Maizière

OpenStreetMap und der öffentliche Nahverkehr gehören zusammen

Letzte Woche habe ich Marcel Hövelmann vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und Thomas Reincke vom Aachener Verkehrsbund (AVV) getroffen. Beiden gemein ist, dass sie für einen Verkehrsverbund arbeiten und sich sowohl für ihren Verbund als auch persönlich sehr stark bei OpenStreetMap engagieren.

Ich sehe eine große Zukunft für das Zusammenspiel von der OpenStreetMap-Karte mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Marcel und Thomas haben meine Einschätzung mit schlagkräftigen Argumenten untermauert.

Wo gibt es bereits Schnittstellen zwischen OpenStreetMap und dem ÖPNV?

Melchior Moos hat eine dedizierte Karte erstellt, die ÖPNV-Karte, die die Bahn- und Buslinien sowie Haltestellen sichtbar macht, die sich ansonsten in der OSM-Datenbank in Attributen und Relationen „verstecken“.

Bei den Verkehrsverbünden nimmt der AVV eine Vorreiterrolle ein: Thomas hat mir die Beta-Version der neuen Internet-Fahrplanauskunft des Aachener Verkehrsverbundes vorgestellt, die alle berechneten Verbindungen auf der OpenStreetMap-Karte darstellt.

Da die angezeigten Routen noch auf Basis einer alten Karte gezeichnet werden, kann es vorübergehend zu geringen Abweichungen zwischen den Routen und den Straßen oder Bahnlinien der OpenStreetMap-Karte kommen. Die Routen sollen aber zeitnah auf die OpenStreetMap-Karte ausgerichtet werden.

Auch im VRS wird der Einsatz der OpenStreetMap-Karte als Hintergrund in den kommenden Monaten getestet; erste Umsetzungen werden im Laufe des Jahres 2011 angestrebt.

Warum haben die Verkehrsverbünde ein Interesse an der OpenStreetMap-Karte?

Zunächst einmal sind es meist nicht die Verkehrsbetriebe, die sich um die kommunalübergreifenden (Online-) Fahrpläne kümmern, sondern die Verkehrsverbünde. Diese ermöglichen dann die Online-Abfrage von Verbindungen innerhalb des Verbundgebiets und darüber hinaus auch in die angrenzenden Bereiche. So ist derzeit sowohl bei AVV und VRS eine ÖPNV-Auskunft für ganz NRW möglich. Die Fahrplanauskunft des AVV umfasst zusätzlich die belgische Provinz Lüttich sowie die niederländische Provinz Limburg. Die Fahrplanauskunft des VRS umfasst zusätzlich das nördliche Rheinland-Pfalz.

Und hier fangen die Probleme mit „normalen Karten“ auch schon an: Häufig enden die vorhandenen amtlichen Karten an den Ländergrenzen. In grenznahen Bereichen wie Aachen aber gibt es intensive grenzüberschreitende Verflechtungen.

Zudem ist die OpenStreetMap-Karte meist aktueller als alle anderen verfügbaren Karten. Und dann kommt noch ein ganz wichtiger Grund dazu: Für die Verkehrsverbünde reicht meist nicht aus, einfach einen Haltestellenpunkt auf einer Karte einzuzeichnen. Es werden viele weitere Detail-Informationen für das Umfeld der Haltestelle benötigt: Ist die Haltestelle behindertengerecht (Stichwort: Barrierefreiheit)? Wo sind die Ein- und Ausgänge der U-Bahn? Gibt es eine Fußwegverbindung zu einer umliegenden Haltestelle? Das aber sind noch längst nicht alle Detailfragen.

Erfassung und Aktualisierung dieser Detailinformationen im Haltestellenbereich sind für die Verkehrsverbünde kaum realisierbar. Diese Informationen sind in der Regel nur bei den einzelnen Verkehrsunternehmen vorhanden. Hier kann die OpenStreetMap-Karte ihren Vorteil des Crowdsourcings ausspielen und von der Ortskompetenz der 300.000 registrierten Nutzer profitieren.

Wie sieht die Zusammenarbeit der OpenStreetMap-Community und den Verkehrsverbänden aus?

Für die Erfassung der speziellen Attribute im öffentlichen Personennahverkehr wurde ein Regelwerk erarbeitet, das sich Oxomoa/ÖPNV-Schema nennt und als Work-In-Progress zu verstehen ist.

Zwischen dem Aachener Verkehrsverbund und der lokalen OpenStreetMap-Community besteht eine funktionierende Zusammenarbeit. Gleiches gilt für den Verkehrsverbund Rhein-Sieg, bei dem Marcel Hövelmann die Schnittstelle zur lokalen OSM-Community bildet.

Beide haben ein besonderes Interesse daran, dass erst mal eine vollständige Erfassung der Haltestellen im jeweiligen Verbundgebiet gemeldet werden kann, möglichst mit der vom Verkehrsverbund vergebenen „lebenslangen Haltestellennummer“. Als weiteres Ziel ist die möglichst detaillierte Erfassung der jeweiligen Haltestellenbereiche zu verstehen.

Über die „lebenslange Haltestellennummer“ wird die Möglichkeit geschaffen, direkt aus OSM-Werken auf die jeweilige lokale Fahrplanauskunft zuzugreifen und die Datenbestände gegenseitig mit geringem Aufwand abzugleichen.

Marcel plant gemeinsam mit der lokalen OSM-Community für Anfang Dezember zum kommenden Fahrplanwechsel einen Workshop, bei dem die Zusammenarbeit zwischen lokaler OSM-Community und dem VRS nochmals intensiviert werden soll. In der Veranstaltung soll dann u.a. auch diskutiert bzw. vermittelt werden, wie die speziellen Attribute für den ÖPNV mit den OpenStreetMap-Editoren erfasst werden können. Im Praxisteil soll dies dann an den zum Fahrplanwechsel erfolgten Änderungen durchgeführt werden.

Wo liegt die Herausforderung bei dem Einsatz von OpenStreetMap-Daten?

Zum einen ist die Erfassung der Bus- und Bahn-Linien über die Relationen noch ziemlich kompliziert. Aus diesem Grund wird auch ein spezieller Editor für die Erfassung von ÖPNV-Attributen in Erwägung gezogen.

Zum anderen muss eine Lösung gefunden werden, wie die OpenStreetMap-Karte im produktiven Einsatz von (falschen) Änderungen entkoppelt werden kann, ohne dass auf die Vorzüge der Aktualität der OSM-Karte verzichtet werden muss. Auch bei der Visualisierung der Strecken beim neuen Fahrplan des AVV werden die Haltestellen noch getrennt von der OpenStreetMap-Karte vorgehalten. Langfristig sollen aber alle Haltestellen in der OpenStreetMap-Karte und dem Fahrplan des AVV synchronisiert sein. Auch im VRS ist solch ein bidirektionaler Austausch von Daten angestrebt.

Verantwortungsvoller Umgang mit öffentlichen Geldern  durch OpenSource

AVV und VRS setzen auf OpenSource. Server und Contentmanagementsystem beim AVV und VRS basieren schon seit längerem auf OpenSource-Komponenten. Die Umstellung der Benutzerschnittstelle der Internet-Fahrplanauskunft beim AVV auf OpenSource-Komponenten ist aber eine echte Innovation in diesem Bereich. Entwicklungsaufwand und -zeit konnten durch den Einsatz fertiger OpenSource-Komponenten erheblich reduziert werden. Der VRS wird ab 2011 nachziehen.

Mit der Kombination von OpenSource-Komponenten und der OpenStreetMap-Karte kommen AVV und VRS ihrer Verantwortung nach, besonders sparsam mit den öffentlichen Mitteln zu haushalten. Ein weiterer Vorteil von OpenSource für den AVV und VRS ist, dass sie nicht langfristig an einen einzelnen Softwareanbieter gebunden sind und so einen hohen Freiheitsgrad bei der Vergabe künftiger Aufträge im Zusammenhang mit der Fahrplanauskunft haben.

Der VRS im OSM-Wiki: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/VRS

Der AVV im OSM-Wiki: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/AVV

Kontaktdaten: Marcel Hövelmann (OSM) und Thomas Reincke (OSM privat /OSM dienstlich) sind per Mail zu erreichen.

Oliver ist OSMF-Board-Mitglied und Mitbegründer von skobbler, die Software auf Basis von  OpenStreetMap herstellen. Er bloggt normalerweise auf http://www.abalakov.com/ und hat diesen Artikel als Gastautor veröffentlicht.

OSM-Wochennotiz Nr. 9

12.9-18.9.2010

Das Autorenteam Jonas, Mitja, Claudius, Stephan, Pascal, Marc, Michael, Henri, Matthias und Olaf wünscht viel Spaß beim Lesen.

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  • Diskussionen um Sondernutzungsgebühren in Städten wegen Google Streetview: Betrifft das auch Openstreetmap?

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Warum man OpenStreetMap nicht mit Wikipedia gleichsetzen kann

Häufig wird das OpenStreetMap-Projekt mit dem Wikipedia-Projekt verglichen. Auch wenn viele Ähnlichkeiten existieren, gibt es doch fundamentale Unterschiede. Wenn man Wikipedia zum Vergleich mit OpenStreetMap heranzieht, muss man darauf achten, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.

Die Betrachtung der Wertschöpfungskette

Das Wikipedia-Projekt deckt die komplette Wertschöpfungskette ab: Es liefert die Werkzeuge, um neue Inhalte zu erstellen, hält die Inhalte in eigenen Datenbanken vor und stellt die Software bereit, durch die der Wikipedia-Content konsumiert wird. Wikipedia hat de facto die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, da die Inhalte überwiegend über die Wikipedia-eigenen Kanäle konsumiert werden.

Das OpenStreetMap-Projekt ist anders gelagert: es gibt tausende von Arten, wie die Geodaten genutzt werden können. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viele unterschiedliche Arten es gibt, braucht man einfach nur mal in den App-Stores von Apple und Google zu stöbern.

Die Werkzeuge, um Geodaten zu erfassen, vorzuhalten und zu verteilen, sind vollständig unabhängig voneinander. Nur die Datenbankstruktur und die Programmierschnittstelle (API), um auf die Daten zuzugreifen, liegen in der Kontrolle des OpenStreetMap-Projekts.

Die Betrachtung des Marktes

Es hat immer eine Vielzahl an Lexika gegeben. Einige Lexika-Anbieter sind sogar aufgrund aufgrund des harten Wettbewerbs aus dem Markt gedrängt worden oder haben das Geschäft mangels Profitabilität eingestellt.

Auf der anderen Seite gibt es nicht einmal eine Handvoll an Anbietern von digitalen Straßenkarten oder Geodaten mit internationaler Ausprägung. In der Tat gibt es bis heute nur zwei Anbieter, die digitale (Straßen-)Karten von internationalem Umfang besitzen.

Aber es gibt viele Unternehmen – auch sehr große, globale Unternehmen – die digitales Kartenmaterial benötigen.

Die Kombination von wenigen Anbietern und vielen Nachfragern führt zu hohen Preisen, wenn man das Kartenmaterial von den wenigen Kartenanbietern direkt lizenzieren möchte. OpenStreetMap-Daten sind freie Daten, und frei gilt hier auch im Sinne von kostenlos. Sobald Abdeckung und Qualität eine kritische Schwelle überschreiten, kann die OpenStreetMap eine ganze Industrie verändern.

Während die großen Unternehmen dem Wikipedia-Projekt meistens Geldspenden zukommen lassen, um ein besseres Ansehen zu erlangen, haben einige große Unternehmen angefangen, sich in die Technologie von OpenStreetMap einzuarbeiten und diese in die eigenen Produkte zu integrieren. Das ist ein Zeichen für ein erhebliches Interesse an einer weiteren Quelle für digitales Kartenmaterial gibt, das über Marketingzwecke hinaus geht.

Oliver ist OSMF-Board-Mitglied und Mitbegründer von skobbler, die Software auf Basis von  OpenStreetMap herstellen. Er bloggt normalerweise auf http://www.abalakov.com/ und hat von dort einen Artikel übersetzt, den er hier als Gastautor veröffentlicht.

OSM-Wochennotiz Nr. 8

5.9-11.9.2010

Das Autorenteam Jonas, Mitja, Claudius,Pascal, Stephan, Marc, Michael, Henri, Matthias und Olaf wünscht viel Spaß beim Lesen.

Karten

  • Der OSM-Inspector mit dem Routing View ist jetzt für ganz Europa online
  • der Landkreis Mittelsachsen hat eine neue Webseite auf Basis von Openstreetmap eröffnet – Pressebericht dazu
  • distance-o-meter Weiterentwicklung des Post-Box Guesstimator Es gibt mehrere Layern (u.a. Telefone, Wasserstellen, Recycling und Hundekottütenspender) und man kann den Radius der Kreise selber bestimmen. So ist es insbesondere in Städten mit dichtem Netz möglich, mögliche Lücken zu finden.
  • OSM Relation Analyzer neue Beta 0.9 – Das schöne – Er antwortet auf Request 😉
  • OpenLayers optimieren
  • Was war dein erster Beitrag zu OpenStreetMap ?

State of the Map

  • Die ersten Bewerbungen für die “State of the Map 2011”: Wien, Addis Abeba, Havana. Die Bewerbungsfrist endet am 15.10.
  • Die Videos sind online

FOSS4G

Weltweit

  • ORF Futurezone: Interview mit Mikel Maron (OSMF Board) über Map Kibera und OpenStreetMap.
  • OpenStreetMap hat 300.000 Mitglieder

Blogs

Tagging

  • craft=* Ein Ort der Herstellung oder Verarbeitung kundenspezifischer Güter – ZurAbstimmung

sonstiges

  • bis 14.9.2010: Sie fragen – der Minister antwortet! Google Street View – Chancen und Grenzen der Digitalisierung von Stadt und Land
  • bis 30.11.2010:Umfrage der EU zur Wiederverwendung öffentlicher Daten
  • Diplomarbeit Abbildung von Straßendaten für Qualitätsuntersuchungen – Ein Vergleich von OpenStreetMap mit Navteq (mit Download)

Wochenvorschau

  • 17.+18.9.2010 Zürich FrOSCamp Vorträge und Ausstellung zu Open Source, Free Software sowie Freien Inhalten