Wie angekündigt kommt hier der zweite Teil unseres Jahresrückblicks sowie ein Ausblick auf 2011. Im Gegensatz zum ersten Teil geht es hier um das OSM-Projekt als Ganzes und nicht um den OSMBlog.
Rückblick
Aus den Ereignissen des letzten Jahres haben wir versucht die wichtigsten herauszusuchen und hier aufzulisten:
Das Jahr 2010 beginnt mit den vielfältigen Aktivitäten in Folge des Erdbebens in Haiti am 12. Januar. In den Tagen nach dem Erdbeben brachte die OSM-Community alle vorhandenen Möglichkeiten auf, um Geodaten und Karten von Haiti zu sammeln, zu erstellen und weiter zu verteilen. Viele beschäftigten sich das erste Mal mit dem humanitären Aspekt von OSM und realisierten, wie wichtig Karten bzw. Geodaten für diese Art der Arbeit sind. Insbesondere das Humanitarian OSM Team (HOT) engagiert sich bis heute in Haiti. Weitere HOT-Projekte wie MapKibera sind ebenfalls sehr aktiv. Diese Arbeit wird sicherlich im nächsten Jahr fortgesetzt, wir hoffen aber, dass es mehr um präventives Mapping gehen wird, als um die Reaktion auf Katastrophen.
Im März fand die erste deutschsprachige OSM-Konferenz als Teil der FOSSGIS-Konferenz in Osnabrück statt. OSM-Aktive trafen sich dort um Vorträge zu halten, in Community Sessions zu diskutieren und sich allgemein kennen zu lernen und auszutauschen. Auch dieses Jahr wird es die FOSSGIS wieder als „die deutschsprachige OSM-Konferenz“ geben.
Im Juli folgte schließlich die 4. internationale OSM-Konferenz, die „State of the Map“ in Girona, Spanien. MapQuest kündigte dort ihr großes Engagement für OSM an und das neue OSMF-Board wurde gewählt.
Im August wurde ein weiterer wichtiger Schritt für den Lizenz-Wechsel zur ODbL gegangen: bestehende Nutzer konnten nun der ODbL bzw. den Contributor Terms zustimmen. Mit der 6. Ausgabe hat das Wochennotiz-Team unter blog.openstreetmap.de eine neue Heimat gefunden.
Mit Joachim Kasts Besuch beim Spitzengespräch „Digitalisierung von Stadt und Land“ beim Bundesinnenministerium wurde OSM im September bei einer weiteren staatlichen Stelle vorgestellt und Kontakte für die Zukunft geknüpft. Auf regionaler Ebene gab es im vergangenen Jahr immer wieder erste Annäherungsversuche und Kooperationen zwischen der OSM-Community und den Behörden vor Ort.
Im Oktober wurden der österreichische Community freie Orthophotos von Geoimage.at zur Verfügung gestellt. Ebenfalls seit Oktober sind OSM-Karten in deutschen Wikipedia-Artikeln direkt integriert.
Die Erlaubnis zur Nutzung der Bing-Luftbilder Ende November bzw. Anfang Dezember war eine große Überraschung für die OSM-Community.
Seit Dezember ist auch auf osm.org Potlatch 2 als Editor für alle verfügbar.
Ausblick
Was passiert 2011?
Um diese Frage zu beantworten haben wir uns Hilfe aus der Community geholt und einige Personen in einer E-Mail zu ihrer Prognose für das nächste Jahr befragt. Dabei ließen wir ihnen frei, wie ernst sie das ganze nehmen oder ob sie lieber wild spekulieren.
Frederik Ramm ist langjähriges aktives Communitymitglied in Deutschland. Er engagiert sich bei der Organisation der FOSSGIS, hilft bei Fragen auf der Mailingliste und ist beruflich bei der Geofabrik mit OSM-Themen beschäftigt.
Der lang geplante Lizenzwechsel wird vollzogen; einige springen ab und gruenden einen OSM-„Fork“, doch in OSM arbeiten die Mapper emsig an der Fehlerbehebung, und zwei Monate spaeter ist die Sache praktisch vergessen. Die Forks schlafen ein, und einige der Organisatoren kehren nach ein paar Monaten Abstinenz wieder zu OSM zurueck, weil doch alles nicht so schlimm ist, wie sie befuerchtet hatten. Es dauert allerdings noch bis 2012, bis die neue Lizenz auch „in den Koepfen“ angekommen ist und der durchschnittliche Mapper die einem Fernsehreporter erklaeren kann.
In Deutschland erhalten wir flaechendeckend das Recht, amtliche Luftbilder in besser-als-Bing-Aufloesung abzuzeichnen. Die deutschen Mapper werden international halb bewundert, halb fuer verrueckt erklaert, weil sie tatsaechlich beginnen, in grossem Umfang Kanaldeckel oder Strassen als Flaechen einzuzeichnen.
Die API 0.7 bringt verbesserte differenzielle Uploadmoeglichkeiten und einen neuen Flaechendatentyp, der die existierenden Multipolygon-Relationen abloest.
Die Benutzerzahl in OSM waechst stetig. In einigen Laendern werden Massnahmen ausprobiert, die OSM massiv Neuteilnehmer zufuehren und in einem „ewigen September“ muenden. Google und andere Unternehmen fuehren ihre vom Nutzer editierbaren Karten in grossem Stil auch in Laendern ein, in denen OSM bislang das einzige derartige Angebot war, und konkurrieren so mit OSM um die Aufmerksamkeit von Medien und vor allem neuen Benutzern.
Andreas Labres ist Präsident des Vereins „OpenStreetMap Austria“ und organisiert die nächste SOTM-EU in Wien.
- Häuser „schießen überall aus dem Boden“, vielleicht werden wir in der einen oder anderen Stadt „fertig“ damit, Häuser abzuzeichnen.
- Durch die Luftbilder von geoimage.at und bing werden sich die „weißen Flecken“ füllen, die durch das Fehlen von plan.at-Importen an einigen Stellen Österreichs bisher bestanden haben.
- Die ODbL wird (hoffentlich schmerzfrei) umgesetzt.
- OSM’s freie Geodaten werden immer mehr ernst genommen. Was diese Konvergenz zwischen freien und proprietären/autoritativen Daten letztlich auslösen wird, (fehlt mir glaub ich der tiefere Einblick) kann ich nicht sagen. Aber man sieht dort wohl schon Pfründe schwinden… — Ich bin schon sehr gespannt, was diesbezüglich auf der State of the Map Europe im Juli in Wien zu hören sein wird…
- Steve C., naja, was kann er noch werden… C<irgendwas>O von Microsoft? Und OSM wird komplett DotNet-isiert? <LOL>
Pascal Neis ist der Hauptentwickler des OpenRouteServices und schreibt regelmäßig in seinem Blog über OpenStreetMap.
OpenStreetMap hat in Deutschland bereits im Jahr 2010 bewiesen, dass es eine gute Vollständigkeit für kommerzielle oder kostenlose Nutzungszwecke bietet. Allerdings zeigten auch verschiedene Untersuchungen, dass gerade im ländlichen Raum noch viele Daten fehlen. Durch die im November freigegebenen bing-Luftbilder könnte somit im kommenden Jahr diese Schwäche noch aufgearbeitet und die bereits für die vergangenen Jahre angestrebte „Vollständigkeit“ im Straßennetz erreicht werden. Etwas offen bleibt dabei die Frage, wie Straßennamen oder andere Tags/Attribute in die OSM Daten eingearbeitet werden können, wenn diese Informationen nicht in den Luftbildern enthalten sind. Ferner darf nicht vergessen werden, dass nicht nur Daten in OSM hinzugefügt werden müssen, sondern das stets auch ein Augenmerk auf die Qualität der Daten geworfen werden muss!
Olaf Kotzte organisiert seit Jahren OSM-Stände auf Veranstaltungen im Ruhrgebiet und ist bei mehreren Stammtischen aktiv.
Das Interesse an OSM wird weiter wachsen. Die Datenmenge und -qualität wird weiter zunehmen. Dadurch werden sich mehr Firmen und Behörden für OSM interessieren und auch in größerer Anzahl beginnen unsere Daten zu nutzen. Es wird einige interessante Kooperationen geben. Datenimporte wird es vorwiegend nur noch in Bereichen geben die schwer bis garnicht kartiert werden können, wie z.B. Grenzen. Durch das steigende Interesse wird es einige Jobangebote für aktive Mapper geben bzw. einige werden den Schritt in die Selbständigkeit wagen.
OpenStreetMap wird professioneller werden. Möglicherweise wird es am Jahresende den (die) ersten eigenen OSM Mitarbeiter geben.
Spezialkarten auf OSM Basis werden weiterhin boomen. Rollstuhl- und Blindennavigation sind erst am Anfang und werden weiter wachsen. Bereiche wo OSM noch Potential hat sind u.a. LKW und Gefahrgut Navigation.
Mein Wunsch für 2011
Mapping Software für Tablets wie iPad oder Android Tablets mit der neben POIs auch ways und areas kartiert werden können und es möglich machen direkt ohne Umwege über Desktop Editoren diese zur OSM Datenbank hoch zuladen.
Marc Gehling ist OSM-Mapper in Dortmund und Autor beim OSMBlog.
- Die Datenbank wird aus aus allen Nähten platzen. Durch die Bingbilder haben allein deutsche Mapper 25 Millionen Häuser erfasst. Auch andere Unternehmen und Behörden werden Luftbilder spenden.
- Bei Bild.de wird es ein Volks-GPS-Empfänger geben.
- Die OSM-Hotline für alle Fragen rund um OpenStreetMap wird eingerichtet. In den ersten Wochen werden 100 Telefonate geführt.
- Die Umsätze von OSMKAO ( OpenStreetMapKartenAnzeigeOptimierung) explodieren. Immer mehr Firmen wollen Hilfe bei der „optimalen“ Darstellung auf der OpenStreetMapKarte. Der Begriff taucht im März in der deutschen Wikipedia auf.
- FakeSteve wird zum OSMF-Präsident gewählt und stellt alle Daten unter PD.
Ivan Sanches Ortega aus Spanien ist OSMF-Board-Mitglied und Gewinner des 2010 SOTM Song Contests.
OK, let’s see…
First, the sure one: The FOSS4G + SotM11 combo will be the greatest meeting of geonerds ever. Attendance will be 500+ people. There will be beer, canadian whiskey, glitter, 20 people crashing on a rented apartment, and a OpenStreetBus.
Another sure one: license switchover. OSM will nuke around 30% of the existing data due to the change over ODbL. Some people will become angry in the mailing lists, while the rest will keep on mapping as usual. The amount of lost data will be recovered within the year.
MapQuest will **quietly** switch over to OSM data over at least three major US cities. They will announce the change two weeks later, when it’s already successful.
We’ll see data imports. A total of 50+ mapping agencies worldwide will become interested in putting data into OSM. There will be at least one incident where the agency „didn’t get“ the license and will retract. The majority of these agencies will use the ArcGIS editor for OSM in one way or the other, and there will be at least one episode of corrupted OSM data that will go public. ESRI will use the „it’s open source, you fix it“ defense, while the OSM camp will reply with „use our tested importing tools instead“. At least two OSM devs will look into the ESRI OSM editor, and their brains will explode shortly thereafter (as they aren’t ESRI-certified devs).
The technology behind the Nintendo 3DS will be merged into smartphones in an effort to push for consumption of 3D movies. Google Earth for mobile will be available in less than two weeks afterwards.
Wikileaks will leak at least one set of geodata in a traditional GIS format – e.g. shapefile or geodatabase dump. It will be of military origin.
Now, the pessimistic ones.
Despite the number of imports, we’ll fail to have a set of import tools suitable for keeping track of changes between the OSM dataset and the imported dataset. WFS-V will still fail to deliver.
Bing will launch map APIs for Android, iOS and Win phone 7. They will fail to capture more than 2% of the market.
GDAL will fail to provide File GeoDatabase support out of the box. We’re talking basic support, read-only, under Linux.
The Galileo satellite network will still not be operative.
All efforts to uncover the true identity of FakeSteveC will fail.
Yeah, I think that’s enough wild guesses 😀
Mikel Maron ist OSMF-Board-Mitglied und engagiert sich hauptsächlich im Humanitarian OSM Team, insbesondere beim MapKibera-Projekt.
- OSM will go through a high profile accuracy controversy, ala http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipediabiographycontroversy.
- The actual license change is easier than anyone imagined.
- OSM map spotted in a Hollywood summer blockbuster.
Wir würden uns freuen, eure Prognosen und Anmerkungen in den Kommentaren zu lesen.