Achtung, Pokémon-Alarm!

Screenshot aus JOSM, der einen unsauber gezeichneten Innenhof in Düsseldorf-Unterbilk zeigt

Beispielhafte Pokémon-Änderung – ein unsauber gezeichneter Innenhof (Spielplatz, Park). Kartendaten © OpenStreetMap-Mitwirkende unter ODbL. Luftbild DOP20 Land NRW, 2017, Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0 (für OSM als Datenquelle nicht freigegeben!)

Seit einigen Tagen sucht eine Gruppe an Neulingen OpenStreetMap „heim“, die sich nicht richtig bewusst zu sein scheint, worum es bei OpenStreetMap eigentlich geht. Es handelt sich um Spieler des Smartphone-Spiels Pokémon Go. Pokémon Go nutzt zur Ermittlung geeigneter Orte, an denen die zu jagenden Viecher zu finden sind, OpenStreetMap-Daten – genauer gesagt, Orte, die für Fußgänger ansprechend sind. Dabei handelt es sich unter anderem um

  • Fußwege (highway=footway)
  • Parks (leisure=park)
  • Grünflächen (landuse=grass)
  • Spielplätze (leisure=playground)
  • Wasserflächen (natural=water)
  • Denkmäler (man_made=monument)

Da das Volumen dieser Änderungen in den letzten Tagen zugenommen hat und geschätzt die Hälfte (!) aller Neumapper ein Editiermuster hat, das dem eines Pokémon-Mapper entspricht, sollten wir alle diesem Phänomen eine erhöhte Aufmerksamkeit widmen.

Warum ist das ein Problem?

Pokémon-Mapper und die von ihnen stammenden falschen Daten schaden unserem Ruf. Wir haben es bislang geschafft als Crowdsourcingprojekt ohne eine verpflichtende Sichtung der Beiträge neuer Nutzer auszukommen, ohne dass Vandalismus unsere Datenqualität nennenswert mindert. OpenStreetMap-Daten sind bislang so zuverlässig im deutschsprachigen Raum, dass man sich bedenkenlos kommerziell einsetzen kann – sei es für Logistik-Anwendungen, Wanderkarten, Radrouting, Betriebsleitstellen von Verkehrsbetrieben, Rettungsdienste, Behörden usw.

Wir haben viel Fußwege in unseren Daten und das ist eine unserer Stärken. Wenn wir aber zu viele Fußwege in unseren Daten haben, dann schadet uns das. Es wäre schade, wenn die über zehn Jahre Arbeit, die wir alle in das Projekt gesteckt haben, wertlos werden würde.

Unseren guten Ruf gilt es zu bewahren und zu verteidigen! Wir werden es schaffen, auch ohne verpflichtende Sichtung unser Qualitätsniveau zu halten und uns nicht zur Wikipedia Nr. 2 werden zu lassen, auch wenn es schwer fallen mag.

Wie findet man Pokémon-Mapper?

Die wohl einfachste Methode, Pokémon-Mapper zu finden, ist das Tool Latest OSM Contributors von Pascal Neis. Es listet alle Mapper auf, die erstmals aktiv geworden sind, auch wenn ihr Benutzerkonto schon vor viel längerer Zeit angelegt wurde. Auch bislang war es eine gute Idee, dieses Werkzeug zu benutzen, denn es führt einen auf direktem Wege zu unerfahrenen Mappern, die mehr Fehler machen als erfahrene Mapper.

Die Liste, die man mit diesem Werkzeug erhält, enthält nicht nur Pokémon-Mapper. Sie enthält auch Mapper, die nichts mit Pokémon Go zu tun haben. Deshalb muss man bei jedem einzelnen Mapper prüfen, ob er dem Pokémon-Editiermuster entspricht.

Pokémon-Mapper tendieren dazu, neue Objekte einzutragen und nur selten bestehende Objekte zu bearbeiten. In ihren Änderungssätzen tauchen daher sehr viele Objekte mit der Version 1 auf. Weitere Merkmale sind:

  • Verwendung der oben erwähnten Tags
  • Dinge werden eingetragen, wo sie sehr unwahrscheinlich sind (Parks in Hinterhöfen, Verkehrsinseln, Vorgärten). Ein Blick auf Bing, etwas Logik und Erfahrung trennt die Spreu vom wenigen Weizen.
  • Fußwege sind nicht mit dem restlichen Wegenetz verbunden
  • besonders unsorgfältig gezeichnete Geometrien (Parks schneiden Hauswände, …)
  • Die Objekte haben Namen, die erfunden wirken. Neulinge tendieren allgemein dazu häufiger name=* zu taggen, aber meist sind deren Namen noch irgendwie realistisch (z.B. „Lidl-Parkplatz“)

Um einen Änderungssatz zu analysieren, bietet sich Achavi im Ein-Änderungssatz-Modus an. Dazu ruft man Achavi mit folgender URL auf (Änderungssatz-ID anpassen!): https://overpass-api.de/achavi/?changeset=45612643

Leider verschwimmt in Einzelfällen die Grenze. Es gibt nicht nur reine Pokémon-Mapper und reine „normale Neulinge“, sondern auch Leute, die von Pokémon zu OSM finden und dann zu Unrecht in die falsche Schublade gesteckt werden.

Neben Latest OSM Contributors gibt es noch andere Suchmöglichkeiten. Man kann ganz klassisch über WhoDidIt (alternative Instanz von Zverik) sein Gebiet überwachen. WhoDidIt zeigt zwar nur Änderungssätze an, die mindestens einen Node im überwachten Gebiet bearbeitet haben; es ist aber sehr wahrscheinlich, dass ein Pokémon-Mapper beim Einzeichnen eines Parks einen Node anlegt oder verschiebt.

Auch mit gezielten Overpass-Abfragen kann man frisch bearbeitete/angelegte Objekte finden. Folgende Abfrage gibt alle Fußwege in dem aktuellen Kartenausschnitt des Overpass-Turbo zurück, die seit dem 28. Januar 2017 10:00:00 UTC bearbeitet wurden. Vor der Ausführung der Abfrage bitte die Zeit anpassen. Als Abfragegebiet empfehlen sich maximal ein oder mehrere Landkreise.

[timeout:25];
way
  [highway=footway]
  ({{bbox}})
  (newer:"2017-01-28T10:00:00Z"); // Zeit anpassen!
out meta;
>;
out;

Man kann die Abfrage auch noch auf Grünflächen, Seen und Denkmäler erweitern.

[timeout:25];
(
  way [highway=footway] ({{bbox}});
  way [landuse=grass] ({{bbox}});
  way [leisure=park] ({{bbox}});
  way [leisure=playground] ({{bbox}});
  way [natural=water] ({{bbox}});
  way [man_made=monument] ({{bbox}});
)->.pokemonfeatures;
// Zeit anpassen!
way.pokemonfeatures(newer:"2017-01-28T10:00:00Z")->.newfeatures;
.newfeatures out meta;
.newfeatures >;
out;

Klickt man in der Karte auf eines der Resultate der obigen Abfragen, wird einem der letzte Bearbeiter des Objekts angezeigt. Die Abfragen geben viele False Positives zurück. Jeder schon erfolgte Revert eines Pokémon-Edits taucht dort auf, denn auch Reverts sind in OSM technisch gesehen ganz normale Bearbeitungen. Anhand der Nutzernamen kann man jedoch durch bloßes Ansehen gleich erkennen, ob es einer genaueren Analyse würdig ist. Aus dem Forum, Änderungssatzdiskussionen o.ä. bekannte Nutzernamen kann man ignorieren. Nutzer, die ein paar hundert Änderungssätze haben, sind vermutlich auch keine Pokémon-Mapper.

Pokémon-Mapper gefunden – was nun?

Ist man sich sicher, dass der verdächtige Benutzer, ein Pokémon-Mapper ist, revertiert man umgehend seine Änderungssätze. Während wir normalerweise bei kleinen Fehlern die Neulinge bitten, sie selbst zu korrigieren, sollte hier von diesem freundlich gemeinten Grundsatz abgewichen werden. Die Masse und Wirkung der Änderungen ist zu groß, als dass es noch angemessen und praktikabel wäre. Jedes „Bitte korrigiere das“ erfordert, dass man als Mapper prüft, ob die Korrektur auch erfolgt ist. Zudem bleibt der Fehler in der Datenbank, bis er korrigiert wird. Damit hat der Pokémon-Mapper sein Ziel erreicht. Niantic, das erstaunlich oft Datenupdates bezieht, platziert die Pokémon dann an der vom Pokémon-Mapper angedachten Stelle.

Wer nicht weiß, wie man revertiert, bringt es sich bitte entweder bei, oder bittet im IRC (Webchat unter irc.openstreetmap.org, Kanal #osm-de) andere, das zu tun. Es wird hier auf eine deutsche, einfache Bedienungsanleitung des JOSM-Reverter-Plugins verzichtet, sondern auf das Wiki verweisen. Es sollte nämlich nicht zu einfach sein, solch u.U. folgenschwere Reverts durchzuführen – sonst kann das bald jeder Vandale.

Bitte schreibt einen Änderungssatzkommentar an einen der revertierten Änderungssätze eines Benutzers. Dadurch können andere Mapper sehen, dass sich schon jemand um den Pokémon-Mapper gekümmert hat und unnötige Doppelarbeit kann vermieden werden.

Bitte denkt daran, dass Pokémon-Mapper nicht von Natur aus böse sind. Deren Kommunkationsplattformen haben sie dazu verführt, OSM mehr oder minder unabsichtlich zu schaden. Behandelt sie also mit demselben Respekt, mit dem ihr behandelt werden wollt. Wenn von zehn Pokémon-Mapper, einer länger hängen bleibt und „vernünftig“ wird, haben wir etwas gewonnen.

Textbausteinsammlung

Hallo $USER,

herzlich willkommen bei OpenStreetMap.

Deine Beiträge sehen leider erfunden und nicht der Realität entsprechend aus. Die von dir verwendeten Tags passen nicht zum Luftbild oder sind unlogisch. Bitte trage in OpenStreetMap keine Dinge ein, die nicht der Realität entsprechen. Deine Änderungen habe ich soeben zurückgesetzt.

Siehe dazu auch (auf Deutsch)
https://blog.openstreetmap.org/2016/12/30/tipps-fuer-neue-pokemon-go-mapper/?lang=de

Viele Grüße

$MAPPER

Alternativer Textvorschlag:

Hallo $USER,

willkommen bei OSM. Leider hatten Deine Edits genau das Muster von Leuten, die versuchen, Pokémons anzulocken. Das ist bei uns unerwünscht. Bitte trage nur Dinge ein, die der Realität entsprechen! Daher wurde alles wieder zurückgesetzt. Weitere Erklärungen findest du unter https://blog.openstreetmap.org/2016/12/30/tipps-fuer-neue-pokemon-go-mapper/?lang=de

Viele Grüße

$MAPPER

Man kann auch folgende Formulierung integrieren:

Vergiss bitte alles, was Du in der Pokémon-Welt über OpenStreetMap gelesen hast. Die richtigen Informationen findest Du z. B. unter https://wiki.openstreetmap.org/wiki/File:Osm-tutorial.pdf

Sicher ist sicher – die Nachkontrolle

Um sicherzustellen, dass die Hinweise aus euren Änderungssatz-Diskussionbeiträgen auch gelesen wurden, solltet ihr ein bis zwei Tage später prüfen, ob der Benutzer neue Änderungen hochgeladen hat. Falls der Eindruck besteht, dass er eure Ermahnung nicht gelesen oder nicht ernst genommen hat, gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Die Data Working Group bitten, ihn eine 0-Stunden-Sperre zu belegen. (siehe unten)
  • Eine persönliche Nachricht schreiben, die auf die Kommentare hinweist und eine Benutzerkontensperrung androht.

Die oben erwähnten Overpass-Abfragen können bei der Suche nach uneinsichtigen Pokémon-Mappern helfen.

Der Pokémon-Mapper macht weiter?

Wir hoffen, dass solche Fälle selten sind, denn nun geht die Arbeit erst richtig los. Wenn ein Benutzer auf einen Kommentar in einer Änderungssatzdiskussion nicht reagiert und weiter schädliche Änderungen macht, sollte er von der Data Working Group der OpenStreetMap Foundation gesperrt werden. Schreib dazu eine Mail an data@osmfoundation.org und schildere, kurz und knapp, was geschehen ist. Verweise auf die schon erfolgte Änderungssatzdiskussion. Ohne diese wird die DWG den Benutzer nicht sperren, denn wir sperren keine Benutzer ohne Vorwarnung. Idealerweise ist diese Mail in Englisch, zur Not darf es aber auch Deutsch sein.

Michael Reichert

Michael ist seit 2011 aktiver Mapper, hat die Mappingschwerpunkte Eisenbahninfrastruktur und ÖPNV und verdient sein Geld mit OpenStreetMap-Dienstleistungen.

Kategorie: OSMBlog